WITH LOVE, Juni 2016-Reviews

JUNI 2016

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ATHROX
Are You Alive CD
Red Cat Records/The Orchard


Das Cover zeigt einen urbanen mit Graffiti besprühten Straßenzug und eine Armee an Schattengestalten, die selbigen entlangmarschiert. Wer jetzt an Trash-Metal denkt, hat das Genre korrekt identifiziert. Offiziell besteht die Band seit Sommer 2014, allerdings machen Gitarrist Sandro Seravalle und Drummer Alessandro Brandi schon seit 2008 gemeinsam Musik. Man füge dieser Konstellation aus langer Bekanntsschaft und Neugründung einen äußerst versierten Trash-Sänger hinzu, der aber auch die Fähigkeit hätte Progbands zu fronten, und siehe da, der Flow setzt ein. Man hört den elf Songs förmlich an, dass der Ball läuft, denn Seravalle soliert, Capitoni stimmt in einen epischen Twin-Guitar-Reigen mit ein und dann zieht der Drummer das Tempo an. Thematisch befasst sich das herausragende "Warstorm" mit Trash-typischen Themen wie Krieg, Tyrannentum, der Rolle des Soldaten und Massenmanipulation. Der Fünfer setzt dem Ganzen in "Gates of death" dann aber noch einen drauf, denn die Heavy Metal-Anteile werden kurz zurückgeschraubt und Sänger Giancarlo Piccianti darf seine kraftvollen Vocals über eine astreine extreme Trash-Genreperle ausbreiten. Die Produktion ist mir etwas zu hallig, ansonsten zelebrieren ATHROX hier eine großartige Fusion aus traditionellem Heavy Metal und spätem 80er/frühem 90er Trash. Geheimtipp! ThEb (7,5)

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CLEPSYDRA
Tropicarium CD
Go Down Records


Das dritte Album der Italiener CLEPSYDRA, names "Maramlade Sky", habe ich als relativ unspektakuläres Psychedelic/Prog-Album in Erinnerung und so kann man durchaus von einer Weiterentwicklung der seit 2002 aktiven Band sprechen, denn "Tropicarium" hat etliche gute Momente. "When the bottle is gonna finish" beginnt in bester RADIO MOSCOW-Tradition, die folkigen Vocals schlagen dann aber eine andere Richtung ein, der Song ist trotzdem stimmig. Mit "Port Huron (Blue Ride)" ist dann sogar ein Reggae-Track mit von der Partie und selbiger weiß ebenfalls zu überzeugen. "Green blinds" klingt ein wenig nach Richard Thompson und ist eher ein Blues-Noir, also ein weiterer Ausreisser, aber sicherlich mit der stärkste Song der Platte und man bekommt den Eindruck, als ob sich CLEPSYDRA beim elften Song mal gerade schön eingespielt hätten. Die dreizehn Lierder sind allemal besser als die Songs des Vorgängers, vor allem beim Gesang hat sich einiges getan. ThEb (6,5)

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THE GOTOBEDS
Blood // Sugar // Secs // Traffic CD
Sub Pop/Cargo


Nach etlichen Kleinformaten legt die Band aus Pittsburgh nun ihren Zweitling vor und selbiger bewegt sich zwischen den Polen Noiserock, Punkrock und gefälligem Alternative. So ein paar schräge Töne sollte man aber schon aushalten können, denn der Großteil der elf Songs ist echt noisy. Zwischendurch lullt einen das Quartett aber mit fetten Melodien wieder ein. Die Amis sind also oft schräg/hymnisch wie "Cold Gold (LA's Alright)" und kredenzen dann eingängige Songs, die mich etwas an GUIDED BY VOICES erinnern. "Brass not rash" haut allerdings eher in die Kerbe SONIC YOUTH zu "Daydream Nation"-Zeiten. Textlich geht es genrebedingt drunter und drüber, so heißt es in "Red alphabet" beispielsweise: "Red alphabet, bleeds white, bled white - tongues, haven't met, but are wet, are whet - blue, like her dress, I confess, I confess". Alles klar? Nee? Bei mir auch nicht. Ein tolles Album, ist ja schießlich auch auf Sub Pop erschienen. Gibt es übrigens als "Loser Edition" im goldenen Vinyl. Lustig, oder? ThEb (8)

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GREAT THIEVES ESCAPE
SUCH GOLD, WALK THE PLANK, NO FUN, HARKER
4-Way Split 7"
No Panic! Records


Die Amis von WALK THE PLANK eröffnen diese 4 Way Split mit einem old school Hardcore-Track, der echt brutal rüberkommt, da die Vocals Power haben und zugleich heiser klingen. Gegen Ende steigt die Mitgröl-Garantie dann ins Unermessliche und ein wenig erinnert mich der Fünfer sogar an NEGATIVE APPROACH. Schöne Neuentdeckung. NO FUN aus Nürnberg liefern Kontrastprogramm mit Sängerin und 77er Bubblegum-Punk dann Kontrastprogramm. "Cheesecake" huldigt JOAN JETT & THE BLACKHEARTS, hat aber auch einen DISCOUNT-Einschlag, falls sich jemand an die Combo aus Florida erinnert. SUCH GOLD sind ebenfalls Neuland für mich, aber "Choosing cages" ist inhaltlich ein Geniestreich und stilistisch liebäugelt die Band etwas mit BANE, also ein weiteres Highlight der Split. HARKER spielen dann schmissigen Folkpunk, der auch ein wenig Strassenköter-Vibe mitbringt. Fans von HOT WATER MUSIC und Frank Turner werden aufhorchen. Ha, Wortspiel galore. Eine tolle Split. ThEb (8)

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GGU:LL
Dwaling CD
Vàn Records


Das Drone/Doom-Quartett aus Tilburg legt mit "Dwaling" seine erste Full Length vor und inkludiert gleich die letzte Ep "Waan:hoon", die lediglich zwei Songs umfasste und einen Song (March 28, 1941, Drowning) vom Demo. Ein viel diskutiertes Highlight auf "Dwaling" ist sicherlich der Gastauftritt von Farida Lemouchi in "Het smerige kleed van de ziel". Faridas klare, sakrale/infernale Stimme wird von fiesen Growls ergänzt und auf ein bedrohlich-langsames Stakkato-Fundament gestellt, so dass man beeindruckt anerkennen muss, dass GGU:LL wirklich ein fieser Brocken gelungen ist. Der Song dauert nämlich über neun Minuten und hinterlässt definitiv einen bleibenden Eindruck. Insgesamt spielt die Band einen Stil, der mich bisweilen an eine Fusion von COUGH und KONGH erinnert, aber wesentlich atmospärischer daherkommt. Die Lieder sind ultralangsam, ultrabrutal und der Gesang einfach nur bestialisch. In Summe höre ich mir das Album gerne an, sein hypnotischer Charakter überzeugt und selbst wenn es genrebedingt nicht drunter- und drübergeht, sollten Nischenjunkies diesen Release nicht verpassen. ThEb (8)


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JET BANANA
Master Is The Enemy CD
Dooweet


Entspannte Rockmusik mit britischem Einschlag ist das Metier von JET BANANA und wenn man sich mal eine zeitlang reingehört hat, versteht man auch, was die Band so vorhat. Hauptsächlich scheint man Musik zu machen, damit die Leute eine gute Zeit haben und wenn wie in "Holy money" selbst Tasteninstrumente und Soul zum Einsatz kommen, funktioniert das Konzept auch. Einige Texte machen für mich allerdings nicht wirklich Sinn. Als Beispiel wollen wir mal "Unborn" nehmen, der Song ist sicherlich nicht schlecht, aber worum zur Hölle geht es denn da genau? Der Southern-Flair passt schon und das Solo ist ebenfalls stimmig, aber weniger kryptisch-wirre Lyrics wären echt schön gewesen. "White and red" schlägt in eine ähnliche Kerbe, der Song ist rein instrumental gesehen ein kompakter Rocktrack, aber textlich einfach wieder recht seicht und vage. In Summe plätschert das alles so dahin, stört nicht weiter, bleibt aber auch nicht hängen. Hin und wieder taucht mal ein gefälliges Hook auf und "Baby I'm down" ist ein recht ordentlicher Psychsong. "Love is away" bietet hingegen zwar ein gefälliges Surflick, ist in meinen Augen aber kein fertiger Song, sondern ein Refrain-zentrierter Schnellschuss. Anders sieht es mit "Old echo" aus, besagtes Lied ist ein Retro-Rocksong mit Folkelementen und zündet umgehend. Man kann es also. Leider sind derartige Perlen deutlich in der Unterzahl. Man hört, wo es hingehen soll, aber ingsasamt ist hier vieles recht zerfahren. Manchmal ist Ideenreichtum anscheinend auch kontraproduktiv. Anderseits hört man etliche vielversprechende Elemente, die mit einem etwas stärkeren Gesang besser dastünden. Ja, viele Konjuktive sind bei JET BANANA angesagt, eventuell bringt der Zweitling reifere und druckvollere Songs hervor. ThEb (6)

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THE K.
Burning Pattern Etiquette CD
Jaune Orange/Pias


Herrlicher Noiserock aus Brüssel/Liège, der eher langsam bedrohlich und atmosphärisch ist, anstatt hektisch zu werden. JESUS LIZARD, UNSANE und MCLUSKY sind laut Info die Ideengeber und in "The mermaid of Venice" (Shakepeare-Fans aufgepasst), bekommt man eine bizarre Fusion aus THE PAPER CHASE und WEEZER vorgesetzt. Besonders das zyklische "Sleeper hold" mit seinem psychotischen "he's a good man but he loves me to hard"-Refrain ist gigantisch. Anschließend darf es noch etwas seltsamer werden, so heißt der nächste Track "20" discipline" und überrascht mit Statements wie "I want it all and I always get what I want, I can't help it - I just can't keep my 20 inches of discipline to me". Aha. Ich hoffe mal die Rede ist von einem Lineal in der streng katholischen Schule. Anschließend geht es derart fragwürdig weiter, da fällt auch mal "sissyboy", ohne dass man sich um die political correctness kümmern würde. Das wird auf alle Fälle polarisieren. Um ehrlich zu sein, mag ich die gefährliche Aura der Band. Das war viel zu lange Mangelware im Postrock/Hardcore/Noiserock. Das Fazit lautet schlichtweg, dass das zweite Album des kryptisch benannten Trios, übrigens mit dem ONMENS-Drummer, ein absolutes Noiserock-Highlight ist. ThEb (9)

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OUR BLOND COVERS
The Lost Side Of The World CD
Dooweet


Musste eine ganze Weile nachdenken, um mögliche Vergleiche für die französische Band zu finden, denn was das Quartett aus Frankreich auf dieser EP abliefert ist alles andere als alltäglich. Bei "Distance" fühlt man sich an die etwas obskureren Grungebands wie THE MEAT PUPPETS oder die fantastischen GUIDED BY VOICES erinnert. Kurzum, eine anheimelnde Melodik trifft auf kurze windschiefe Noise-Erruptionen. OUR BLOND COVERS haben auf jeden Fall ihren ganz eigenen Stil, sind recht innovativ und verbinden das alles mit Eingängigkeit, die nie offensichtlich ist. Doch, diese vier Songs überzeugen auf ganzer Linie und eine gewisse Postcore-Affinität lässt sich ebenfalls feststellen, denn in "Tell me" klingt die Combo angenehm nach FARSIDE. Die EP ist toll produziert und kommt als hochwertiges Digipak. ThEb (7)

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PATER NEMBROD
Nusun CD
Go Down Records


Wow, die haben sich ja echt gemäusert. Das letzte Album fand ich recht unspektakulär und jetzt hauen mir die Italiener COLOUR HAZE-artige Jams um die Ohren und liebäugeln auch mal mit verschrobenem Krautrock. Insgesamt sind die Riffs und Arrangements ungewöhnlich und der Pentatonik-geplagte Stonerhörer freut sich bestimmt über die Innovationen, die hier gemacht werden. Philip Leonardi singt vereinzelt, aber oft wird einfach völlig instrumental agiert. Hin und wieder hört man bei Leonardi ein schönes Grunge-Timbre und auch stimmlich vollzog man auf "NuSun" einen Quantensprung. Für Heaviness ist natürlich auch gesorgt, in "Overwhelmed" wird schön gestonert, aber der Gesang klingt herrlich nach Chris Cornell und so entfaltet sich eine wunderbare SOUNDGARDEN-Aura. Auf gesamter Albumlänge fallen die kreativen Drumrhythmen auf, die oft hervorstechen und die Parts der Saiteninstrumente hervorragend verknüpfen, darüber hinaus aber auch Aufmerksamkeit fordern. Der finale Song "Dead Polygon" hat ein Neil Young-Flair und beschließt das Album würdig. Übrigens spielte Christian Peters von SAMSARA BLUES EXPERIMENT die Synthies zu "Architeutis" ein. (7,5) ThEb

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PRESSIONE SU MALTA
Uhu! Uhu! CD
Music For People/Go Down Records


Minimalistischer Stonerrock von zwei Sizilianern, die auf ihrer Debüt-EP (bisher gab es lediglich ein Demo) dem Riff huldigen und damit gar nicht schlecht fahren. Klar, was Andrea Cotugno und Alessandro Perroni da bieten, ist nicht gerade komplex oder gar verkopft, dafür fühlt man einige Lieder aber in der Magengegend und das zeugt ja auch von Qualität. Wie zwingend dieser Release jetzt in einer Welt an genialen Psych-, Stoner- und Retrorock-Alben war, sei mal dahingestellt, das Duo hat hörbar Spaß und er sei ihnen gegönnt. Ist ganz nett und etwas Exotenbonus darf man auch geben ... bla bla bla. ThEb (6)

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PSYCHEDELIC WITCHCRAFT
The Vision CD
Soulseller Records


Wieder so eine "okkulte" Band, die plötzlich aus dem Nichts auftaucht. Seit März 2015 aktiv, veröffentlichte man vier Monate später die erste EP "Black Magic Man", welche innerhalb von zehn Tagen ausverkauft war. Nun legt das Quartett mit "The Vision" den ersten Full Length Longplayer nach. Die Qualität des Longplayers wird die meisten Unkenrufe in Form von "noch so eine female fronted Okkultrock-Combo" wohl verstummen lassen. Dafür ist das Gros des Albums einfach zu versiert, denn neben den erstklassigen Vocals von Virginia Monti überzeugt auch Drummer Daniele Parella mit variantenreichem Spiel und reichlich Groove. Ein winziges Manko ist allerdings, dass eine Gitarre recht dünn klingt, vor allem deshalb, weil sie meist nur ganz leicht angezerrt gespielt wird. Fairerweise muss man aber sagen, wenn Riccardo Guiffrè im Solo dann in den Overdrive geht, macht das schon Eindruck. In Summe sind viele gute Ansätze vorhanden, um zur ersten Liga im Okkult-/Bluesrock aufzuschließen müssen allerdings noch mehr Synergien genutzt werden, denn aktuell scheint Virginia alle Songs zu schreiben und das merkt der Hörer auch, soll heißen das Album krankt an einer gewissen Gleichförmigkeit und etwas mehr Druck wäre nicht verkehrt gewesen. ThEb (7)


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SEED FROM THE GEISHA
Point Nemo CD
seedfromthegeisha.bandcamp.com


Hab' mich schon beim ersten Release "Talk Peace To The Wolf", den ich 2011 in der Post hatte über den Bandnamen gewundert, aber mittlerweile freut man sich dann doch eher, wenn Releases aus Frankreich erneut den Weg hierher finden. Sieben neue Alternative-Songs irgendwo zwischen A PERFECT CIRCLE, späte EMBODYMENT und FILTER. Was die Vocals angeht klingt Inigo bisweilen nach Jonathan Davis, aber er kann auch richtig gut singen und hat ein fantastisches Timbre,welches besonders in den beiden Akustikversionen von "Cast the anchor" und "47" positiv auffällt. Die Percussions machen die beiden Bonustracks dann echt noch räumlicher und sind eine schöne Dreingabe. Die insgesamt neun Songs kommen als schönes Digipak und ein besonders Highlight ist das atmosphärische "Ascetic", welches ein wenig an ALCEST denken lässt. ThEb (8)

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SIR COLLAPSE
(15.14 mg) Audiofil Citrate
Finest Noise/


Der Bandname und das Artwork im Medizinlook rufen Noiserock und zu meiner Freude lag ich mit dieser Einschätzung nicht ganz falsch. HELMET-Fans kommen hier jedenfalls voll und ganz auf ihre Kosten, denn die Gitarren gehen treibend nach vorne, die Drums sorgen für einen guten Groove und bisweilen streuen die Rheinländer auch ein paar schräge Töne unter. "Wake up" hat eine QOTSA-Melodik und schielt auch ein wenig in Richtung Seattle sowie frühe FOO FIGHTERS. Die genrebedingten Tugenden haben SIR COLLAPSE jedenfalls vorbildlich verinnerlicht und auch wenn "Stalker walker" dann sehr nahe an "No one knows" von "Songs For The Deaf" baut, ist der Track ein fies-brutales Monster und hat auch einen gewissen TAD-Vibe. Meine Fresse, sind die gut. Insgesamt fünf Lieder, die stets zwischen Sedierung, Wutanfall und Pop-Harmonien pendeln. Kann das bitte mal jemand auf Vinyl pressen? ThEb (7)