WITH LOVE, Juni 2013-Reviews

JUNI 2013

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ANCHORS & HEARTS
Raised On True Stories CD
Quality Steel Records


Mit Sicherheit gibt es da draußen genügend Leute, die sich ein New School Hc-Album mit der Vehemenz von BOY SETS FIREs "After The Eulogy" wünschen. Et voilà, hier ist es und damit der Vergleich auch nicht hinkt, sind natürlich politische Texte Grundvoraussetzung. Nun soll das aber keinesfalls heißen, dass die Nordlichter von ANCHORS & HEARTS abkupfern, das Gegenteil ist der Fall, man bietet ausgefallene Arrangements, die dabei noch herrlich schmissig sind. Das diese Fusion gelingt, hat viel mit der Ausnahmevorstellung von Drummer Torben Tost zu tun, aber auch damit, dass sich Melodik und Aggression oft verzahnen, der Fokus aber eher auf der Aggression liegt. Insgesamt ist die Band ganz groß darin über das Hc-Genre hinauszublicken und Elemente in die Songs zu integrieren, die mal nach Punkrock (Pieces), Sludge (Extraterrestrial warfare) oder Indie (Lifetimes) klingen, ohne dabei das Ganze zu verwässern. Diese Variabilität und die Unberechenbarkeit der Band machen "Raised On True Stories" zu einem Siegeralbum und damit wird man selbst den größten Zweifler überzeugen können. ThEb (7,5)

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BEHIND CLOSED DOORS
S/t CD (lim. plus DVD)
Finest Noise Records


Drei akademisch an ihren Instrumenten geschulte Musiker finden sich zusammen, um ein Album aufzunehmen. Was erstmal Assoziationen wie solierende Leadgitarristen auslöst, offenbart sich tatsächlich als heftige Angelegenheit, die sich, was die Ideengeber anbelangt, eher im GODFLESH- und GOJIRA-Universum bewegt, als den allseits bekannten Guitar Heroes zu huldigen. Die Produktion der sieben Tracks ist druckvoll und dass es sich bei BCD um ein instrumentales Trio handelt, soll hier eine Randnotiz bleiben, denn musikalisch passiert in den sieben Tracks extrem viel, also wird niemand Vocals vermissen. Vielmehr haben Christoph Teuschel, der selbst in einem traditionellen Bandgefüge als unheimlich versierter Gitarrist auffällt, und seine beiden ebenfalls technisch beeindruckenden Kollegen Basser Fred Jacobsson und Drummer Matthias Landes, reichlich Freiraum sich auszutoben. Matthias Landes sitzt zudem auch bei DARK FORTRESS und REVAMP an den Kesseln, womit BEHIND CLOSED DOORS natürlich eine recht professionell agierende Band sind. Das bestätigt auch die DVD, deren Clips visuell umsetzen, was das Trio akustisch arrangiert hat. Live gibt es denn ebenfalls Projektionen auf bandeigenem Equipment; da wird dem Zuschauer anscheinend echt was geboten. Alle Achtung! ThEb (8)

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CITY LIGHT THIEF
Vacilando CD
Midsummer Records


Wenn man CLT umschreiben möchte, kommt man am Begriff Screamo nicht vorbei, denn die Rheinländer werfen hauptsächlich AT THE DRIVE-IN als Einfluss in die Waagschale, bisweilen ist ihr Screamo aber auch extrem hardcorelastig. BLOOD BROTHERS oder MISERY SIGNALS wären dann in etwa die passenden Parameter, was den Härtegrad angeht. Dieses Fundament ergänzt das Sextett mit atmosphärischen Gitarrenparts, die vor Reverb nur so stotzen (Portland, Maine) oder schmissigen Parts und Uptempo-Zappeligkeit (In Full Swing), die an den Heyday des Emocore-Booms denken lassen. Ein wichtiger Bestandteil etlicher Songs sind Backups, die fast schon was von Chorälen haben und mit denen sich "Vacilando" deutlich vom Gros anderer Alben abhebt. Insgesamt sind die elf Songs unheimlich variabel und sehr darum bemüht die Grenzen des Genres zu pushen, was CLT auch sehr gut gelingt. Auch textlich gab man sich viel Mühe, aber manchmal wirken die Lyrics doch sehr entrückt und oft wünscht man sich, dass die Band hier mehr auf den Punkt gekommen wäre. Andererseits funktionieren die Texte auch losgelöst von der Musik, was deren Qualität unterstreicht. In Kombination mit der Musik wirken die Songs aber durch die komplexen Texte manchmal etwas überladen. Für die Zukunft wäre ein stärkerer Fokus auf den Song sicherlich nicht verkehrt, momentan dreht sich alles mehr oder weniger um die Komposition der Arrangements als Ganzes. Diesen orchestralen Anspruch haben CLT aber bravourös umgesetzt, "Vacilando" ist eben ein Screamoalbum mit Prog-Anspruch. Sozusagen ein "Progmo"-Album. ThEb (7)

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DARK REFLECTIONS
When Lambs Become Lions CD
STF Records


Der erste Eindruck war zunächst, dass die Produktion etwas klinisch klingt, andererseits ist die Band seit 2010 aktiv und legt aktuell den selbstproduzierten Zweitling vor, also Schwamm drüber. Das Debüt "Beyond Obscurity" hat etliche positive Rezensionen bekommen und nicht zuletzt dank des coolen Artworks neugierig gemacht. Musikalisch gesehen fusioniert man melodische Leads und modernen Hardcore, bleibt aber meist konsequent bei gegrowlten Vocals. Textlich stellt man positive Impulse in den Vordergrund, ist aber oft recht abstrakt und bietet so reichlich Projektionsfläche. Zwölf unspektakuläre aber zündende Songs, die ganz ohne tough guy-Attitüde auskommen und an Combos wie TODAY WE RISE oder BRIDGE TO SOLACE anschließen. Eines der Highlights der Österreicher ist "Perishing Conviction", weil man zeigt, was man rhythmisch draufhat und gehörig groovt. Der Titeltrack "When Lambs Become Lions" ist dann derart von der neuen Göteborger-Schule geprägt, dass man schon auch an IN FLAMES denkt. Der Mittelteil des Albums bekommt mit "Spanier" ein akustisch geprägtes Stück spendiert und kundet von einer versteckten Vorliebe zu Classic Rock, diese bleibt aber auf die gesamte Spielzeit gesehen leider marginal. Mit zwölf Liedern ist das Album dann auch ganz schön umfangreich, aber wer Melodeath mit etlichen melodischen Leads schätzt, wird hier fündig werden. Hiermit kann sich der Fünfer bestimmt in Windeseile einen guten Ruf erarbeiten. (7)


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DOUGE
D
Go Down Records


Das schlichte Artwork ist mal wieder ein typisches Understatement, wie man es von Go Down Records kennt und liebt. Hinter dem grauen Belzebub(schweif) auf schwarzem Grund versteckt sich eine begnadete Stoner-Combo, die neben zwei virtuosen Gitarristen mit Tim Norris auch noch einen begnadeten Sänger und Frontmann vorweisen kann. Meist singt Norris in höheren Tonlagen und so sind Vergleiche mit John Garcia/UNIDA nicht von der Hand zu weisen. Instrumental gibt man sich aber etwas verspielter und trippiger. Das Drumming hingegen ist recht, sagen wir funktional, kann also wenig Akzente setzen, lässt aber Freiraum für Southern Rock Soli a là Nugent. "Ergagorn/Storm" wird gegen Ende dann sogar etwas doomig, zumindest ist der Gesang echt schaurig und zudem gibt es ein arabeskes Solo. Jerry Cantrell oder MAD SEASON sind ebenfalls zu verorten. Ist in dieser Kombination sehr spannend. "Truck Rocker" setzt diesen, bereits eingeschlagenen Weg dann ziemlich konsequent fort und offenbart Parallelen zu "Loud Love" von SOUNDGARDEN wie eine düstere Atmosphäre, schwere Riffs und einen tollen Sänger. Gegen Ende gibt es ein, zwei durchschnittliche Songs, aber dafür ist der Rausschmeißer "Look At Your Desert" phänomenal. ThEb (7,5)

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DÉPARLISE
Herzlich Willkommen CD
In Bloom Records/Rough Trade


Wieder mal ein stilistischer Ausreißer, der aber in seinem Metier schon überzeugen kann. Man muss eben einen Faible für deutschem Sprechgesang haben, damit das Quartett aus München ordentlich zündet. Was die instrumentale Seite betrifft, bietet der Titeltrack eine Ska-Gitarre, "Knochensüchtig" wird vom countrylastigen Akkorden untermalt und "Ja klar" hält sich an die RHCP, was den Sechssaiter angeht. In "Brief an den Vater" verarbeitet Franz Brenninger wie auch in den anderen Songs autobiografisches und zeigt, dass er auch gesanglich einiges draufhat. Der Sprechgesang erinnert ein wenig an Sammy Deluxe und die Texte sind durchweg gelungen, was bei deutschen Gruppen ja nicht immer der Fall ist. Letztenendes sind DÉPARLISE und ihr Stil natürlich schon eindeutig Geschmackssache, aber rein handwerklich gibt es nichts zu mäkeln, denn sowohl Produktion, als auch Arrangements lassen aufhorchen und von Balkan-Sounds bishin zu Offbeat-Tracks ist alles dabei. Wer damals FANTA 4 gehört hat, macht hiermit nichts falsch, ist aber echt nicht meine Szene. Daher wird jetzt erstmal PIG DESTROYER nachgelegt... ThEb (6,5)

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FAKE HEROES
Divide And Rule CD
Antstreet Records


Der Machiavelli zugerechnete Titel deutet schon an, dass es darf politisch werden könnte und das Quintett aus Italien legt tatsächlich ein Album mit Aussage vor. So hört man Texte gegen Massenvernichtungswaffen, Egoismus und Dogmen. Musikalisch zeigt "Anthill" Parallelen zu SEEMLESS auf, ist also ziemlich powerchordlastiger, straigter Hardrock mit Tendenz ins Stonergenre. Gesanglich darf es aber auch mal in Richtung THRESHOLD oder CREED gehen. Alles ist recht ambitioniert und Prog-Fans wird "Divide And Rule" mit Garantie gefallen. Allzu brachial ist das Album in Gänze zwar nicht, "Beyond This Glass" aber bietet schon eine gute Fusion aus Powerchord-Heaviness und eingängigen Gesangslinien. Zwischendurch darf es auch mal akustisch werden und so überrascht die Band den Zuhörer ziemlich oft im Verlauf des Albums, sei es auch mal eine unsägliche Ballade wie "Between Sounds And Noises". "Stealing" versöhnt die geplagten Nerven aber wieder, denn es setzt mit einem tollen Stoner-Riff ein und der ambitionierte Gesang navigiert den Track dann zusehends in andere Genre-Gefilde. Textlich ist es absolut lobenswert, was FAKE HEROES abliefern, denn sie sind eine coole Weltverbesserer-Combo. Prog-Fans werden sich mit Sicherheit auf diese Band einigen können, denn vom Gesang über die Soli, passiert auf diesem Debüt extrem viel Originelles. Eigenwillig aber sehr versiert! ThEb (7)

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FIRST CLASS TICKET
Already there? MCD
My Redemption Records


Melodycore mit viel Herzblut und deutlichen Hardcore-Anteilen darf beim Kauf des auf 444 Exemplare limitierten Digipacks erwartet werden. Ansonsten sind die Songs schmissig, der Gesang äußerst melodisch, aber auch absolut gekonnt. Fans von Drive-Through-Releases und poppigem Stuff dürften hier einen Glücksgriff tätigen. Die Produktion hat man mit Phil Seidl einem Profi überlassen und das hört man den fünf Songs auch an, denn sie knallen. Textlich finden die Bayern auf alle Fälle ihren eigenen Weg und schrieben über Freundschaften und Beziehungen, aber doch recht kryptisch, so dass Interpretationsspielraum bleibt. Da die Melodycore-Nische nicht gerade vor Neuveröffentlichungen stotzt, sondern nur hin und wieder einige recht coole Alben rauskommen, sollten Fans des Genres sich auf alle Fälle mal FIRST CLASS TICKET anhören, denn der Fünfer muss sich garantiert nicht hinter Ami-Bands verstecken. ThEb (8)

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THE FORUNATE FOOLS
The Last Tree Standing CD
Eigenproduktion


Vier junge Naturburschen aus Oberfranken setzen 2006 den Wunsch akustische Musik zu machen in die Tat um und ergänzen den Masterplan mit der Idee sich textlich dem Umweltschutz zu widmen. Der Themenschwerpunkt ist jedenfalls löblich, auch wenn die etwas verschulte Herangehensweise des Quartetts und die Poplastigkeit schon überraschen. Die Jungs sind allerdings Könner, was ihre Instrumente angeht, soviel steht fest. Dadurch relativiert sich auch die Nähe zum Radio, weil ein gewisser Anspruch nicht von der Hand zu weisen ist. THE FORTUNATE FOOLS machen anscheinende keine halben Sachen, diese Vermutung wird von der guten Qualität der Aufnahmen, die Keyboarder Ludwig Karsch selbst produzierte und dem Artwork, welches ein Hingucker ist, und natürlich auf Eco-Papier gedruckt wurde, bestätigt. Aber nochmal zurück zur Musik. Die Harmoniewechsel von "Peace and grace" lassen an Simon and Garfunkel denken und das Fingerpicking plus Cello in "Seeing you (seeing me)" rufen FOOL'S GARDEN ins Gedächtnis. Wenn es also hauptsächlich die Akustische plus Keys und Stimme sein soll, dann sind THE FORTUNATE FOOLS eine gute Alternative zu Mainstream-Gruppen, vor allem, weil die Band sich ihren Idealismus nicht nehmen lässt, ohne Attitüden auftritt und authentisch wirkt. Frodo hat die bestimmt schon auf seinem Ipod, also ruhig mal "Rocky is the road of time" antesten. Von soviel Idealismus kann zumindest ich mir noch eine Scheibe abschneiden. ThEb (6,5)

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GUT-SCRAPERS
Gimme Your Soul CD
Eigenproduktion


Diese Combo aus Frankreich ist seit 2008 aktiv und legt nun ein gut durchgehangenes Debüt vor, dessen Stärken schnell genannt sind, denn die Blues/Southern Rock-Riffs überzeugen auf ganzer Linie. Etwas schwächer hingegen sind die Vocals ausgefallen, da hört man eben, dass hier keine Engländer, Aussies oder Amerikaner am Werk sind. Aber Schwamm drüber, die Arrangements sind derart überzeugend, dass die Songs schon in Ordnung gehen. Gerade die instrumentale Seite lässt aufhorchen. "Be on the ball" orientiert sich an den STONES, "Take them off" ist eine coole Rhythm and Blues Nummer, aber auch hier klingt der Gesang etwas träge, vielleicht kann die Band live mehr, aber aus der Konserve überzeugen die Vocals nicht wirklich. Klar, klingt halt etwas verlebt, was auch seinen Charme hat, aber mehr Druck wäre besser gewesen. Andererseits ist das Songwriting gelungen, in Summe aber hätte "Got no life" noch etwas mehr Rotzigkeit vertragen. Man kann durchaus sagen, dass etliche gute Ansätze vorhanden sind, so holt man für "Burden" die MONSTER MAGNET-Homage-Riffs raus und legt packende Southern-Soli drüber. Leider verzerrt man selten total, meist sind die Gitarren leider nur angezerrt. "Thumbs up" ist das beste Beispiel dafür, dass man öfter hätte voll auf Distortion gehen sollen, denn der Song kommt direkter als die anderen Tracks. Zwar sind die Herren schon über vierzig, aber ein Zweitling ohne die angesprochenen Schwächen könnte den Fünfer auf internationales Niveau heben. Das Album erscheint als Digi mit 16seitigem Booklet und GUT-SCRAPERS sind bestimmt eine coole Live-Geschichte, also ruhig mal vorbeigehen, wenn die Monsieurs in der Nähe sind. ThEb (7)

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HAVERBROOK DISASTER
Weather The World CD
Let It Burn Records


Ein düsteres Cover haben sich die Jungs von HAVERBROOK DISASTER da wieder ausgesucht und auch reichlich Gäste eingeladen. Für "Tightrope Walkers" hat man sich Verstärkung von LIONHEART-Shouter Rob McCarthy geholt und in "The Chosen Few" wird Sänger Andreas von STICK TO YOUR GUNS-Shouter Jesse Barnett unterstützt. Zudem sind noch Rob Helm und James Dexter hilfbereit gewesen. Aber auch die Songs, die ohne Supporter eingespielt wurden, sind äußerst heavy geworden. "Cold wind" ist ein derber Hardcore-Smasher, der mächtige Beatdowns und metallisches Riffing bietet, ohne dass es stumpf wäre. "Epitaphs become meaningless" legt dann eher Wert auf Tempo und Rhythmik, was eben auch zur Abwechslung beiträgt und eine der Stärken dieses Outputs ist. Durch die Gastsänger umgeht man jedwede Vocal-Monotonie und mit einem Song wie "Mother Sun" fusioniert man gesangliche Experimente mit einem Text, der vehement den Umweltschutz fordert. Definitiv auch eines der Highlights auf dem Zweitling der Band. Zudem ist das Layout wirklich ansehnlich geworden, selbst wenn man es mit der depressiven Note etwas übertreibt. Jedem Song wurde im 12seitigen Booklet ein smartes Zitat zugeordnet, also dürfte man sich schon ausgelastet fühlen, während man "Weather The World" lauscht. Fans von STRIFE und TERROR dürfen zugreifen, aber auf ein paar melodische Singalong gefasst machen. ThEb (7)

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LOS DISIDENTES DEL SUCIO MOTEL
Arcane CD
Deadlight Entertainment


Stoner-Rock erlebt seit einiger Zeit ein beachtliches Revival und die Franzosen LDDSM waren mit an vorderster Front, denn 2012 durfte man bereits beim Desertfest spielen und somit taugt die Band natürlich was. Mehr noch, sie kennt alle Tugenden und fusioniert in "Luckyman" UNIDA-Riffs mit Vocals, die sich ebenfalls an Garcia anlehnen und ergänzt die Wüstenrock-Riffs auch mal mit genrefremden Zombiefilm-Samples und mystisch-klingenden Vocals. Gerade gesanglich werden etliche Akzente gesetzt, Mehrstimmigkeit ist jetzt nicht gerade alltäglich bei Stoner-Combos, aber das anspruchsvolle Melodien dem Ganzen gehörig zuarbeiten kann man deutlich hören. Diese Variabilität gilt auch für das Riffing, denn "Santa Muerte" klingt frischer als herkömmliche Stoner-Songs und um dem Track seinen eigenen Stempel aufzudrücken, schickt man neben Josh Homme-lastigem Gesumme auch noch spanische Vocals und derbes Shouting ins Feld. Manchmal hat man das Gefühl, dass "Arcane" zu fleißig zitiert, aber es ist natürlich auch nicht möglich das Rad völlig neu zu erfinden. Ist es also schlimm, dass die Eröffnungspassage von "Ouija" nach ELECTRIC WIZARD klingt und man anschließend ins Wüstenrock-Camp kippt? Finde ich eigentlich nicht, denn der Song bietet derart viele Experimente, Variationen, Tempiwechsel, Steigerungen und zuletzt auch markante Vocals, dass die Originalität nicht auf der Strecke bleibt. "Mojo" bedient sich altbewährter Metaphern, aber selbst diese Klischees peppt das Quinett mit ungewöhnlichen rhythmischen Kniffen und göttlichen Vocals auf und lässt letztlich so eines der Highlights auf dem Album entstehen. Mit "Deathproof" setzt man den eingeschlagenen Erfolgskurs fort und holt nach einer Hass- und Fluchtirade sogar die Hammondorgel raus, um die derben Parts mit kurzen psychedelischen Interludes zu kontrastieren. Wirklich ein in Gänze gelungenes Album und keinesfalls unter Rise Above Niveau. Zwar sticht kein Song jetzt unheimlich hervor, aber dafür hält man konstant ein echt gutes Level. ThEb (8,5)

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NAAM
Vow CD
Tee Pee Records


NAAM waren eine der großen Überraschungen auf dem Desertfest und seit dem Gig dort steht die Band auch bei mir recht hoch im Kurs. Der Stil fusioniert spacige Elektronik mit Stoner und Psychedelic. Das Klang-Universum umfasst sozusagen VIBRAVOID genauso wie JOY DIVISION und verbindet beide Lager in einem einzigartigen Jam. Andererseits sind NAAM auch eine typische New Yorker Band, denn die nölige Stimme und die zyklischen, kühlen und von Reverb unterlegten Leadgitarrenpassagen lassen auch an BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB und THE VELVET UNDERGROUND denken. Jedenfalls sind NAAM ein Unikum und setzen sich durch etliche Eigenwilligkeiten eben deutlich von Genrekollegen ab, so erreicht man in "Pardoned pleasure" epische Breite ohne dabei langatmig zu werden. "Laid to rest" ist ein durch den Synthie gejagtes Lead Belly-Tribute, während "Brightest Sight" ein THE DOORS-artiges Hammond-Intro zu dem 4/4-Smasher "Of The hour" bildet. Die Organparts in "Of the hour" selbst sind insgesamt dann echt der Wahnsinn und eigentlich führt an diesem Release schlussendlich kein Weg vorbei. Das fuzzlastige und zugleich extrem hypnotische "Into the light" unterstreicht nochmals, dass hier wirklich eine Ausnahmeband am Werk ist und selbst gegen Ende des Albums lassen die Jungs nicht locker, sondern bleiben mit aller Vehemenz ("Beyond") am Hörer dran. Filler gibt's auf "Vow" jedenfalls keinen einzigen, "Vow" ist ein 37minütiges Lehrstück, wie innovativer, psychedelischer Stoner im Jahr 2013 im Idealfall klingen kann! Also, wer es virtuos-mystisch mag und zugleich eine gewisse Heaviness schätzt, der muss die neue NAAM-Rille unbedingt seiner Sammlung hinzufügen. ThEb (9)

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NIKKI LOUDER
Golden Men CD
Moonlee Records


Verschrobenen Noiserock mit düsterer Grundstimmung und fiesen Zählzeiten für alle Musizierenden zelebriert dieses Trio aus Slovenien. Neben diesem Fundament legt man für den anspruchsvollen Hörer noch Feedback und Reverb-Texturen aus, die irgendwo zwischen CULT OF LUNA und GODFLESH zu verorten sind. Ein anstregender Brocken von einem Album, dafür aber auch zeitweise recht spacig, wie "Bridge To Infinity" offenbart. Klar, ein Hauch von SONIC YOUTH schwingt hier noch mit, aber inzwischen ist man doch deutlich krachiger als noch auf den Vorgängeralben "Alain I'm Sorry" (2009) und "Our World Died Yesterday" (2011). Weiterhin gilt die Maxime: Die sind nichts für schwache Nerven. Nur "Indian Companion" zeigt sich einigermaßen versöhnlich. Die meisten Songs sind recht sperrige Oden an die Wut, die nur gelegentlich mal von Wohlklängen aufgelockert werden. Macht trotzdem unheimlich viel Spaß sich NIKKI LOUDER anzuhören. Das Album ist zudem auch als LP zu bekommen. ThEb (7)

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STRAPPED ILLA
Illfected CD
Eigenproduktion


Wieder mal ein Release der polarisiert, denn musikalisch kann man einen Song wie "Reset my life" schon für gut befinden, vielleicht sogar streckenweise mit IN FLAMES oder MESHUGGAH vergleichen, aber textlich muss man auch einige Schwachstellen konstatieren. Da wird einerseits gerne mal schön prollig und auch recht frauenfeindlich der große Macker rausgekehrt, dann rundert man in "Your not strong when you pretend" wieder rasch zurück und vermittelt einen total konträren Eindruck. Instrumental ist genannter Track schon deutlich an KORN angelehnt, gerade beim Gesang orientiert sich Mario Koloczek gerne mal an Jonathan Davis, aber er bietet schon genug Originelles, damit es spannend bleibt. Bei allen acht Songs sind Crossover und Nu-Metal aber deutliche Leitmotive von STRAPPED ILLA und Fans von SOULFLY, COAL CHAMBER, siebensaitigen-Gitarren und fetten Grooves werden bei den Hanauern gut bedient. Optimal wäre die Sache, wenn man sich völlig von überzogenen Rollenklischees lösen könnte und zukünftig nicht mehr die Grenze des guten Geschmacks überschreiten würde. ThEb (6,5)