WITH LOVE, November 2012-Reviews

NOVEMBER 2012

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ABYSSE
En(d)grave CD
Blue Wave Recordings


Aus Cholet, Frankreich, kommt dieser instrumentale Epikstreich, denn die 45 Minuten reichen den stark atmosphärisch agierenden ABYSSE gerade einmal für sieben Lieder, aber diese werden facettenreich aufgebaut und dürften durchaus Gefallen bei Fans von RED SPAROWES oder SHRINEBUILDER finden. Die Riffs sind heavy, die Drums bombastisch und das Tempo erstmal recht moderat, aber wenn dann ein schmieriges Solo kommt, legt man auch mal ein bißchen Kohle auf. Interessante Spannungsbögen und eben völlig abseits gängiger Metalsounds. Der gute alte Southern Rock hat in "Sharp & Chrome" deutliche Spuren hinterlassen, aber auch einige Wüstenrock-Passagen klingen neben flächigem Gitarrenpicking durch. ABYSSE spielten dieses Jahr auf dem Hellfest, was ebenfalls das Format der Combo unterstreichen dürfte. Monumental, düster und definitiv was für Neurot-Nerds. (7,5) ThEb

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ALASKAN
The Weak And The Wounded LP
Moment Of Collapse


Wow, das lässt einen umgehend an die recht kontroversen aber ebenso wegweisenden ZAO denken, was ALASKAN aus Ontario auf ihrem Zweitling abziehen. Die ganze Melodik ist jedenfalls nahe am disharmonisch angelegten New School Hardcore von "Liberate Te Ex Inferis" und das Geröchel des Sängers tut sein Übriges. Dass hier mitllerweile nur noch ein Trio am Werk ist, fällt bei der ganzen druckvollen Opulenz eigentlich gar nicht auf, denn die Gitarre ist extrem wuchtig und stilistisch gesehen ist eine zweite Axt gar nicht notwendig. Die vier Tracks bringen es auf eine Spielzeit von etwa 30 Minuten und sind eine Lizensierung von Dwyer Records aus Ottawa, deren Releases ebenfalls genial sind. Eigentlich wurde die LP bereits 2010 veröffentlicht, aber das Zusammenspiel aus New School HC, Sludge und Noiserock-Elementen ist einfach zeitlos. "Greed and grievance" wird mit einem Sample über eine gespaltene Persönlichkeit eingeleitet, dessen Fragmente sich durch alle Songs ziehen und verbindet nochmal alle Vorzüge der Combo, denn von brachial bishin zu moody sind alle Facetten vertreten und NEUROSIS können, denke ich, ebenfalls als Einfluss verortet werden. Bloß nicht verpassen! ThEb (8)

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ALGEBRA
Polymorph CD
myspace.com/algebrathrash


In klassischer Trash-Besetzung, nämlich als Vierer, frönen die Schweizer eben selbigem Genre, welches sie mit einem gehörigen Anteil an eigenen Ideen aufpeppen. Immer wieder lassen die aparten Leadgitarren aufhorchen, die von der Melodik her oft etwas Disharmonie integrieren und schnell an Trash-Titanen wie TESTAMENT, SADUS, DEATH ANGEL, frühe SEPULTURA oder auch an Combos wie GAMA BOMB oder XENTRIX denken lassen. Der Titeltrack hat eine regelrechte Punkaura und so muss man eigentlich keinen Trash-Fan lange bequatschen, denn die neun Songs zünden gewaltig, obwohl man eingängige Refrains vergeblich suchen wird. Die Tracks funktionieren eher auf Albumlänge und als Gesamtwerk. Die Texte sind mal anspruchsvoll und behandeln gesellschaftliche Zwänge sowie menschliche Zwickmühlen, können aber auch ganz banal Teufel, Hölle und ähnliches wie in "Insane Times" heraufbeschworen, um das Ganze dann mit King- und Hannemann-Riffing inklusive diabolischer Soli zu untermalen. Das Drumming setzt ebenfalls etliche Akzente. Gemischt und gemastert hat das Ganze Andy Classen, der von ALGEBRA allerdings schon die ziemlich gut in Eigenregie aufgenommenen Tracks bekommen hat. In Summe ein Monsteralbum, welches sich nicht hinter bekannteren Bands verstecken muss, sondern schlichtweg Bombe ist. (8,5) ThEb

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DACAST
Dédale CD
gheeamusic.tumblr.com/label


Dieses Quartett aus Paris widmet sich seit 2002 mit Hingabe den chaotischen Finessen, die man mit reichlich Feedback, infernalem Gekeife und gelegentlichen Highspeed-Passagen zustande bekommen kann. Man könnte fast sagen, DACAST führen Musik auf "Dédale" ad absurdum und haben eine gewisse Schnittmenge mit frühen CONVERGE, PSYOPUS und THE DILLINGER ESCAPE PLAN, wobei von Songs hier wirklich nicht mehr viel übrig bleibt und der akustische Wahnsinn klar im Vordergrund steht. In seiner Konsequenz beeindruckend, in Gänze etwas anstrengend, da eben das Griffbrett nach allen Regeln der Kunst malträtiert wird, wobei auch des Öfteren Jazz-Elemente einfließen. Krachfetischisten werden hier jedenfalls ihre helle Freude dran haben, mir fehlen ein paar griffige Riffs, die auch mal gehörig grooven, davon hätte man mehr bieten können. Hin und wieder ganz unterhaltsam, diese 35 minütige Odysee ins Proguniversum, aber ein roter Faden ist doch immer ganz schön und sowas wie Wiedererkennungswert fehlt einfach, aber wer einfach Gedresche will, bekommt hier handwerklich beeindruckendes geboten. ThEb (7,5)

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DIREWOLVES
Me From Myself, To Banish LP
Throatruiner


Da hat wohl jemand das Tor zur Hölle offenstehen lassen und DIREWOLVES konnten an die Oberfläche gelangen. Die Frenchies machen von Anfang an mächtig Eindruck mit ihrer Synthese aus FROM ASHES RISE und BLACK FLAG. Der Drummer hat derart fies in die Becken und Trommeln, dass man ihm glatt neue Sticks kaufen will und die Gitarren konstrastieren diesen Gewaltakt teils mit extremer Heaviness, teils mit leicht melodischen Riffs, die nur ganz selten wie in "Driving and suffering" mal ins Disharmonische abdriften. Einfach, eingängig und tonnenschwer, was will der moderne Mensch mehr? 500 Exemplare auf clear Vinyl und Throatruiner liefert extrem zuverlässig. Sechs Songs in knapp 20 Minuten, diesen Release sollte man wirklich nicht verpassen. Einfach grandios, wie hier trotz brutalem Gebrüll und wuchtigem Gedresche ein Hauch von Melodik überlebt und daher umso mehr Eindruck hinterlässt. ThEb (8)

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ERBEN DES ZORNS
Zweitens: Krieg CD
SFT Records


"Sieg - Sieg - Sieg - Scheißegal wer heut krepiert" wird im ersten Song gegröhlt. Mit "Die Dummheit hat gesiegt, wir wollten Krieg" wird der Text noch grade so davor bewahrt verherrlichend zu wirken. Andere Texte des Albums "Zweitens: Krieg" sind inhaltlich und von der Attitüde her ähnlich. Darüber, ob das wirklich alles reflektiert und kritisch ist, bin ich mir aber erst nach intensiverem Lesen relativ sicher. Naja, die Musik wirkt auch nicht gerade zahmer: Böser (Black-)Metal mit stark verzerrten, höhenlastigen Gitarren und gurgelndem "Gesang". ERBEN DES ZORNS werden sicherlich ihre Fans finden, aber mir gefällt es überhaupt nicht, da es musikalisch langweilt und textlich nervt. Sorry! (1) Daniel Senzek

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FACE THE FRONT
Modern Values CD
Sums Records/Engineer Records


Es dauert gar nicht lange, bis man auf diesem Album ein Highlight gefunden hat, denn "All my secret places" kann ruckzuck überzeugen. Kehlige Vocals und ein extrem schmissiger Refrain, das Lied hätte so eigentlich auch auf "No Division" landen können und ist Grund genug diesen Release kräftig zu loben. Auf der anderen Seite des musikalischen Spektrums stehen dann im weitesten Sinn Emocore-Songs wie "Take it as it comes", deren Gesang bisweilen an THE WEAKERTHANS erinnert, aber auch um britische Elemente wie flächige Parts macht man keinen Bogen. Bemerkenswert ist insgesamt das Drumming von David Thalmann, aber auch die beiden anderen Mitglieder geben alles und so fällt es nicht weiter auf, dass man einem Trio lauscht. Alles in allem ein unheimlich abwechslungsreicher Release, der auch von den Lyrics her smart ist, denn obwohl meistens Persönliches eine Rolle spielt, schaffen FACE THE FRONT es verschiedene Aspekte aufzurollen. Das Album hat elf Songs, kommt als Jewelcase und kann auch direkt bei Sums in der Schweiz bestellt werden. (7) ThEb

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FITZCARRALDO
Fitz Vinyl LP
BaxxBeatMusic


Dass die Aschaffenburger sich selbst neu geboren haben, hört man sofort. Zugänglichere Songs, deutlich mehr und sogar mehrstimmiger Gesang: Zum Beispiel besticht "Fear The Ghosts" durch einen hypnotischen Singalong-Mittelteil, der früher eher untypisch für diese Band gewesen wäre - nun fügt es sich aber wunderbar in das Arrangement ein. Die zweite wichtige Änderung besteht darin, dass FITZCARRALDO nun mit drei Gitarren agieren. Die dritte Gitarre wechselt ab und an auch mal an die Tasten, wie bei "Together", das mit einem fast schon funkigen Bassriff überrascht und Elektronik-Spielereien über sich ergehen lässt. Insgesamt sind die sieben Songs allesamt durchdacht, abwechselungsreich und ausdrucksstark. Das Neuerfinden tat dem Sound der Band meiner Meinung nach sehr gut! Obwohl sie sich immer noch unter dem großen Begriff "Postrock" einordnen lassen (wollen), findet man auf dieser Platte auch schöne Elemente aus dem Indie-Rock eingesetzt und sofort greifbare Gesangs-Refrains. Gefällt! (7,5) Daniel Senzek

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LEONS MASSACRE
Turning Point CD
Noizgate Records


Glatte, fette Produktion mit tiefer gestimmten, quietschenden Gitarren, bösen Shouts, Gesang und dann auch noch Rap (PAPA ROACH trifft also auf THE DEVIL WEARS PRADA / AS I LAY DYING). Letzteres Element ist überraschenderweise übrigens fast erfrischend, da die Songs ansonsten eher so wirken, als seien sie mit Hilfe einer Blaupause geschrieben worden. Deathcore-Gekeife, Doublebass-Geballer und Metalriffs sind halt bekannte Zutaten, welche die innovative Würze vermissen lassen. Nun, vielleicht schmeckt die Suppe ja auch so, denn der genretypische Sound lässt keine Wünsche offen. Alle Albumtracks schlagen in die gleiche Kerbe und obendrauf gibt es noch einen Dubstep-Remix von "Gunfire". Sinnvoll? Ich weiß nicht! Fazit: Die junge österreichische Truppe hat eine solide Postcore-Scheibe aufgenommen, die ganz bestimmt ihre Anhängerschaft finden wird. (5) Daniel Senzek

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NORA YEUX
S/t MCD
Midsummer Records


Obacht! Eine neue Band von THOUGHTS PAINT THE SKY- und LONGING FOR TOMORROW-Leuten, die hier die Latte für deutschsprachigen Postcore ziemlich hoch legen. Herrlich unverkrampft, aber trotzdem durchdacht, sozialkritisch und schmissig. "Obernhausenzeit" ist eine "Hymne" auf den Pott und "Grandios" hat einen derart einprägsamen Refrain, dass man ihn stundenlang im Gehörgang spazierenträgt. Mit diesen sechs Songs begehen NORA YEUX jedenfalls mit einem Paukenschlag den Erstling und wer schon an dem ebenfalls von TPTS-Mitgliedern ins Leben gerufenen KOSSLOWSKI einen Narren gefressen hat, muss hier unbedingt weiterhören. Wirklich eine Liga für sich. (8,5) ThEb

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ONE-EYED MULE
When Tomorrow Comes CD
Grab Them Records


Psychedelic-Folk-Blues aus Dänemark? ONE-EYED MULE, bitteschön! Die direkte Assoziation zu MUMFORD AND SONS liegt nahe und ist auch gar nicht so verkehrt, allerdings ist das Quartett aus Dänemark weitaus verquerer und experimenteller, aber ohne eine poppige Zugänglichkeit zu vernachlässigen. Das Ganze ist handwerklich sehr gut gemachter Singer-Songwriter-Sound mit der richtigen Menge an sympathischer Melancholie und obendrauf eine wirklich tolle Stimme, die sich auf keinen Fall hinter möglichen Vorbildern wie RYAN ADAMS und BOB DYLAN verstecken muss. "Tunnels And Trains" klingt wie die Vertonung eines rasanten Cowboyritts, während "Mild And Warm" eher der Soundtrack einer entspannten, verträumten Autofahrt ist. Zu meckern gibt es auch nach mehrmaligem Durchhören eigentlich überhaupt nichts! Zehn starke und abwechslungsreiche Songs finden sich auf diesem Album - ein wahrer Hörgenuss! Wenn ONE-EYED MULE nicht ganz bald die Herzen sämtlicher Folk-Jünger auch in Deutschland erobern, dann läuft irgendwas verkehrt. (8,5) Daniel Senzek

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OSCAR LOUISE
Empty House CD
Phenix Records


Hinter dem Pseudonym OSCAR LOUISE verbirgt sich die professionelle und topausgebildete Chorsängerin Rachel Hamel aus Lausanne, Schweiz. Nach diversen Jazzprojekten hat sie nun vor auch mit Popmusik zu entzücken - schwermütiger Pop á la SARAH SLEAN, REGINA SPEKTOR und TOM WAITS wohl gemerkt! Unterstützt wird sie von einem Streicherquartett und bekannten Musikern an den Tasten, Saiten und am Schlagzeug, wobei ihre Stimme ganz klar und völlig zurecht im Mittelpunkt steht. Ob Singer/Sonwriter-Pop, Klassik, Jazz: Rachel Hamel kann einfach alles singen! "Oklahoma Betty" kombiniert in grandioser Weise Jazzbass und Bluesgitarre und "Unhappy" macht glücklich nur durch Klavierklänge und eine wunderbar warme Stimme. Das Album "Empty House" ist ein sehr ausgereiftes musikalisches Werk, welches sogar mit jedem Hören besser wird, versprochen! So etwas brauchen wir für den bevorstehenden Winter! Also: Die CD kaufen, ab auf die Couch, mit dem Tee die Hände wärmen und dabei OSCAR LOUISE genießen! (10) Daniel Senzek

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RISE ABOVE DEAD
Stellar Filth LP
Moment Of Collapse


Verdammt innovativ, diese kranke Fusion von Sludge, Doom und epischen Klanglandschaften, die das Quintett aus Mailand hier auf seinem Debüt generiert. "Hide and weep" läutet den Longplayer brachial ein, nach vier Minuten nimmt man aber etwas Rohheit raus und tendiert auch vom Tempo her eher ins Gemächliche. Das darauf folgende "No land toward the sea" setzt den andächtigen Kurs kurz fort, wird dann aber wesentlich heavier, bemüht wieder Dave Chandler Riffs und ist mit seinen etwas weniger als sechs Minuten beinahe sowas wie der griffigste Track auf dem Album. Der Titletrack "Stellar Filth" mit seinen wummernden Doomriffs lässt instrumental wieder schnell Assoziationen wie SAINT VITUS und SHRINEBUILDER aufkommen und durch die epischen Facetten dürften sich Fans von Wino hier wahrlich wohlfühlen, wobei hier aber meist geshoutet wird. Knapp neun Minuten lässt man sich beim Aufbau des Titel-Songs Zeit und nach über fünf Minuten des geplegten Riffings durchschlagen dann räudige Screams die bedächtige Atmosphäre. Auf gesamter Albumlänge von rund 50 Minuten spannend und kreativ, das muss ihnen erstmal jemand nachmachen. ThEb (8)

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SUNDOWNING
Seizures Of The World LP
Moment of Collapse


Der Opener "Heartless" ist noch ein recht traditioneller uptempo Hardcore-Song, aber mit zunehmender Spielzeit erkennt man, dass SUNDOWNING aus dem Ruhrpott auch gerne mal Downtempo spielen. Cineastisch könnte man dann den langsamen, mit Reverb beladenen Sound mit Filmsequenzen von abgeholzten Wäldern oder stürmischer See perfekt untermalen und träfe wohl ziemlich gut die Stimmung der Musik. Einige Riffs in "Seizures of the world" sind ziemlich nah am moderen Black Metal, andererseits hört man viele Drone- und Noiserock-Elemente, einen knartzenden Bass und minimal dosierte Vocals, die aber entweder fies gekeift oder brutal in Slow Motion geshoutet werden. "Shimmering" beeindruckt dann mit einer hypnotischen Gesangsstrophe und so wird man mit viel Abwechslung versorgt. Schneller nachschub wäre schön, denn hier wurden lediglich 6 Songs und 30 Minuten in die Rillen gepresst, diese haben jedoch echt Format. "Salvations" ist dann ein tonnenschwerer Rausschmeißer, der wieder stärker Vocals einbindet und . ThEb (8)

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TRACHIMBROD
A Collection Of Hidden Sketches CD / Vinyl LP
Tokyo Jupiter Records / True Love Entertainment


Gleich der erste Track schwankt zwischen Uptime-Beat und elegischem Postrock/90s-Emo-Gedudel, versetzt mit Geschrei. Die Musik von TRACHIMBROD erinnert an die ebenfalls auf dem japanischen Label Tokyo Jupiter Records ansässigen ARCHIVES und Bands wie THE BLACK HEART REBELLION oder ARROYO, die ebenso Screamo mit Postrock kombinieren. Die Produktion ist sympathisch-warm, daher besonders angenehm für die Gehörgänge und spätestens wenn dann die ersten Gesangschöre einsetzen, hat man die Band ins Herz geschlossen. Neun Songs lang gibt es den oben beschriebenen Sound, die letzten beiden Tracks bieten leider nur noch elektronische Klänge und Geräusche - hätte man sich sparen können! Ansonsten aber ein gelungenes Album. Die vom deutschen Label True Love Entertainment herausgebrachte LP-Version kommt übrigens in violettem Vinyl daher. Hübsch! (7) Daniel Senzek