WITH LOVE, Oktober 2012-Reviews

OKTOBER 2012

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BAGHEERA
Drift CD
Eigenproduktion


Gänzlich ohne Label oder gar Strichcode legen die Schweizer BAGHEERA mit "Drift" ein derart heftiges Album vor, dass man meint THROWDOWN oder gar PANTERA in der Anlage zu haben. Hier stimmt einfach der Groove und die Riffs ballern so schön im Stakkato-Modus, dass man einfach mitgehen muss. Zwischendurch wird mal das Tempo angezogen, aber so richtig in ihrem Element sind BAGHEERA, wenn sie ihre Stop&Go-Passagen ausspielen können. Das beachtliche Einstiegstandem "Cliff" und "Ad hoc" bekommt dann noch den etwas atmosphärischeren aber ebenso brutalen Smasher "Drone" zur Seite gestellt und wer jetzt noch nicht prollig durch die Bude rennt, dem ist nicht zu helfen. Das Riffing in diesem Song ist schlichtweg "Vulgar display of power"-tauglich und auch wenn man klar die Vorreiter erkennen kann, hört man auch mal eine smartes an Steve Di Giorgio angelehnte Bassline. In dieser Art geht es dann weiter und selbst nach mehrmaligem Hörer zündet das Debüt immer wieder. Kommt hier unter Garantie in Griffhöhe ins Regal und ist trotz des simplen Artworks ein extrem wichtiges Album, dessen konfrontative Texte den Mächtigen den Kampf ansagen und die Profittreiberei an den Pranger stellen. ThEb (8,5)

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BOURBONS
Best Amazing Reasons CD
Stf Records


Bei THE BOURBONS handelt es sich um eine recht neue portugiesische Band, die sich der Rockmusik der Siebziger verschrieben hat, aber auch 90er-Einflüsse zulässt. Fans von BACKYARD BABIES oder HARDCORE SUPERSTAR werden wohl auch das ein oder andere Riff ziemlich gut finden, denn einen deutlichen Schweden-Einschlag hat diese Scheibe ebenfalls. "Black Widow" fällt mit seinem schönen Page-Riffs ebenfalls positiv auf und bestätigt nochmal den Eindruck, dass Stf sich mit THE BOURBONS ein qualitativ hochwertiges Tröpfchen ähh… Trüppchen gesichert haben. Außer der etwas dünnen Produktion gibt es eigentlich nichts an diesem Debüt zu mäkeln, ganz im Gegenteil, man wird bestimmt noch von dem Quartett hören. "Money honey" und "Roller dice" haben einen G N' R-Einschlag, was das Hauptriff angeht und "Let me in" zeigt, dass die Combo trotz des dünnen Gitarrensounds vom Songwriting her alle Register zieht. Vielleicht sollte man bei einer Klampfe diese einfach hochregeln? "Lady queen" ergänzt das bereits gut gemachte Programm mit einem balladesken Song und der Rausschmeißer "Blend" beschließt den Longplayer in ähnlicher Art. Ganz nett mit deutlicher Tendenz ins sehr nett. ThEb (7)

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CIRCLE CREEK
Anger CD
circlecreek.at


Schon das Riff des Openers bewegt sich deutlich im Kielwasser von MONSTER MAGNET, aber es gibt sicherlich wenig an dieser Inspirationsquelle zu mäkeln, zumal CIRCLE CREEK auch eine ganz passable Soundwand aufstellen, für die sich die Brüder Zirkelbach verantwortlich zeigen. "Going Nowhere" hält sich dann an die goldene Regel des Albumaufbaus und vermag es dem ersten Track durch Griffigkeit und einen schmissigen Refrain noch eins draufzusetzen. Was sich immer wieder bestätigt, ist die Solostärke an der Klampfe und auch die gute Rhythmuseinheit. Fairerweise muss man allerdings auch sagen, dass bereits eine Masse an Bands existiert, die sich im weiteren Umfeld des Stonerrocks niedergelassen hat und CIRCLE CREEK trotz der druckvollen Produktion und der schmucken three-panel-digi-Verpackung sehr traditionell daherkommen und nicht viel Außergewöhnliches zu bieten haben. Ganz nett, aber auch ziemlich austauschbar. Hoch anrechnen muss man der Combo ihre lange Existenz, die sich nun immerhin über 25 Jahre erstreckt und auch einen Auftritt im Vorprogramm der SCORPIONS zu verbuchen hat. Trotzdem wirkt man recht eigensinnig und auch etwas selbstverliebt, jedenfalls hinterlässt es einen faden Nachgeschmack, wenn sich Mitglieder der Band ohne Shirt für's Layout ablichten lassen und im Videoclip ebenfalls das Shirt vergessen. Bisweilen hätte man sich vielleicht durch eine organischere Produktion und weniger Crossover-Anteile auch mehr Freunde gemacht. ThEb (6,5)

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DEBELI PRECJEDNIK (FAT PRESIDENT)
Bruto Slavo / VBK
Moonlee Records


Erstklassiger Melodycore in bester DAG-NASTY-Manier aus Kroatien, der zum Glück sogar hauptsächlich in Englisch zelebriert wird. Seit 1994 ist die Band bereits dabei und so dürfte der Longplayer auch denen, zu deren Faves STRUNG OUT und SNFU gehören, ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Die sechzehn Tracks gliedern sich in 13, die unter dem Titel "Bruto Slavo" formieren und drei Songs in Landessprache, die nach dem Herkunftsbezirk der Gruppe benannt sind und sozusagen eine Mini-Ep auf der LP bilden. "Bottle in the mouth" schafft es sogar eine ganz eigene Melodik zu generieren, die man gar nicht ohne weiteres mit anderen Gruppen vergleichen kann. Tempo und Gesang variieren auf dem Longplayer gerne mal, so dass man in "Brave souls" bei beidem eher in den höheren Bereichen unterwegs ist, aber auch mal genüsslich schrammeln kann, ohne dass Monotonie aufkäme. Klar, der Vorgänger war auch schon ziemlich gut, aber "Bruto Slavo / VBK" ist sozusagen in letzter Zeit die Blaupause für Melodycore schlechthin. Dass Bands vom Balkan viel draufhaben, dürfte seit BRIDGE TO SOLACE und THE IDORU bestens bekannt sein und DEBELI PRECJEDNIK bieten einfach eine Mischung aus melodischem Hardcore und rasend schnellem Punkrock. Was für ein Release, was für ein Sänger! ThEb (8,5)

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GUNS OF BRIXTON
Inlandsis CD
Aentitainment Records


Monumentaler Postcore bleibt auch auf dem vierten Album das Metier der französischen Combo und der Verweis auf THE CLASH rührt von der früheren, mittlerweile aber echt marginalen, Vorliebe der Band für Dub her. Begonnen wird instrumental, aber der dritte Song "Il ne restra que des silhouettes" bedient sich dann auch infernalem Geschrei, so dass die bis dato recht wohlklingenden Passagen auch einige fiese Gegenspieler finden. Ambient und cleane Gitarrenklimpereien legen aber stets den Grundstein für die Klanggebäude von GUNS OF BRIXTON. Ergänzt werden diese Ansätze meist durch Loops und Samples, aber höchst selten durch Gesang. Fans von IRA sowie TOUNDRA und ähnlichen Gruppen mit heller Klangfarbe und optimistischer Grundstimmung finden hier schöne Ideen für's Kopfkino und auch reichlich kreative Innovation, sowie gut getimte Spannungsbögen. "Retour du Japon" glänzt durch ein auffälliges Piano und im darauffolgen "Porte close" bekommen die Klampfen ihren großen Auftritt und man versprüht reichlich Hallschwaden. Folglich darf man der Band attestieren beinahe instinktiv viele Spielarten in ihren Sound zu integrieren, ohne dabei die Stimmigkeit zu gefährden. Die Spoken word-Einleitung in "1104" und die grandiose feminine Gesangsdarbeitung in "Alger" unterbrechen dann nochmals kurz die Stimmenabstinenz, aber vermissen wird die Vocals auf "Inlandsis" wohl niemand, dafür passiert einfach zuviel. Ein wirklich sehr gelungenes Album. ThEb (8)

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HEMLOCK SMITH
Everything Has Changed CD
Phénix Records


Unscheinbar kommt es daher, das vierte Album des Solokünstlers Michael Frei, aber die leisen, oft von getragenem Piano bestimmten und von Streichern begleiteten Songs haben eine unheimliche Wirkungskraft, denn egal ob es wie in "The story of cpt. death" ein schauriger Spoken Word-Song ist, oder eine Waitsche Ode an "The leper dogs of may", dieses Album hat Format. Eigentlich führt für MARDI GRASS BB-Fans und Liebhaber von Tom Waits und dessen krächtzendem Organ kein Weg an HEMLOCK SMITH vorbei, denn auf dem aktuellen Album gelingt Frei und seinen Mitstreitern eine traurige Ode an die Melancholie, die einen ganz schön mitnehmen kann. "Caterpillar" mit der Unterstützung der Houseguests ist dann allerdings eher ein dem positiven Gefühlsspektum zugeordneter Song, damit aber deutlich in der Minderheit auf "Everything has changed". "Train song" entpuppt sich als Jazz-Noir Song, der etwas an PLEASURE FOREVER und MADRUGADA erinnert und nochmal ein deutliches Highlight liefert. Der Schweizer und die Helfer wie 17f und Barbouze de chez Fior haben hier jedenfalls ganze Arbeit geleistet und ein zeitloses Album aufgenommen, nur das total banale Artwork nervt. Bescheidenheit in aller Ehre, aber so viel Understatement hätte nicht sein müssen. ThEb (8)

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LE MINUS
Make my day CD
leminus.com


Dieses Trio bewegt sich mit seinen Songs im Spannungsfeld KORN, MUSE und TOOL. Gesanglich hält man sich an Jonathan Davis, mal wird gewinselt, dann geshoutet, bisweilen sogar gerappt. Was durchweg positiv auffällt, ist der prägnante Bass, der schon auch mal deutlich an PRIMUS denken lässt und ziemlich beeindruckend ist. "My first and only lesson" verbindet atmosphärische Parts mit RATM-Grooves, was auch ganz spannend ist, aber generell sind LE MINUS eben eine Band, die stark polarisieren wird, weil sich eben nicht alle mit Rap-Vocals werden anfreunden können. In besagtem Song funktioniert's aber bestens. "Castle doctrine" stellt dann das Atmosphärische in den Mittelpunkt und deutet mit den Breaks gegen Ende nochmal Richtung RATM. Mein Favorit ist aber das recht verschrobene "One parachute", denn da kann Les Claypools französischer Bruder im Geiste mal richtig das Fretboard malträtieren. Mit ein wenig Toleranz lassen sich hier viele Grooves und reichlich unübliche Melodien finden. Darüber hinaus ist die Produktion und das Packaging des Zweitlings mehr als gelungen. ThEb (7)

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MELOSUSHI
Istinti Distinti CD
Finest Noise Records


Es mag an den Mentalitätsunterschieden liegen, dass ich mit diesem Album nicht so recht warm werde. Sängerin Chiara hat reichlich Temperament und liefert von der Punkröhre bis hin zum Opernsopran alles, was die Stimmbänder hergeben, aber eben auch in einer Vehemenz, die schon beansprucht. In "Chiedimi" wird es dann etwas ruhiger und durch die reduzierte Art des Songs kann man sich besser drauf einlassen, wobei natürlich auch die Band gehörig an der Hibbeligkeit mitwirkt, weil eben sowohl der Bass, als auch die Gitarre gerne intensiv auf dem Fretboard agiert, was stellenweise einfach zu viel des Guten ist. Andererseits sind die italienischen Texte leider ein Buch mit sieben Siegeln für mich, vielleicht sind die echt gut… weiß ich ja nicht. Ein Beiblatt auf Englisch wäre halt auch eine Wucht gewesen. Die Band selbst gibt die GUANO APES als Inspiration an und wenn's Crossover mit Rock-Spregseln plus Gianna Nannini-Röhre sein darf, dann wären diese Exoten eine Option. Insgesamt habe ich aber den Eindruck, dass hier vier sehr verschiedene Musiker zusammenfanden, denn so unterschiedliche Vorlieben wie Ian Curtis, Frank Zappa, Stevie Wonder und PAPA ROACH können einfach kein stimmiges Ganzes geben. Mir fehlt hier ganz eindeutig der rote Faden. ThEb (4)

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MY ELEGY
The Core CD
myelegy.de


Eigentlich war dieses Album bereits 2011 auf Antstreet erschienen, aber der Rerelease findet nun unter eigener Schirmherrschaft von MY ELEGY statt. Die elf Tracks haben jedoch nichts an Durchschlagskraft eingebüßt. Wo das Infosheet Hardcore/Metalcore ankündigt, kann man allerdings beinahe von Deathcore sprechen, denn da wird gegrowlt, oft gekeift und "Dead inside" bietet fiesestes Göteborg-Riffing. Jedenfalls eine sichere Bank für Fans gewisser Combos aus Nordhausen. Technisch erhaben und trotz der beachtlichen Aggressivität doch variabel und echt abwechslungsreich. Vor allem "Catharsis" mit seinen melancholischen Leadgitarren, die wenig später in derbstes Gedresche kippen, stellt eines der Highlights dar, weil der Track nicht zu komplex ist, aber trotz der Nachvollziehbarkeit nicht monoton wird. Hier findet man schlichtweg das Feuer, welches man nur auf einem Debüt findet. Aufgenommen wurde von Florian Nowak in den Dailyhero Studios in Berlin und die Produktion ist erstklassig. Obendrauf gibt es dann noch einen Gastauftritt von WAR FROM A HARLOTS MOUTH-Drummer Paul Siedel. Einen Slot auf dem Summer Breeze hatten MY ELEGY auch schon, also ergibt sich bestimmt auch bald die Gelegenheit den Fünfer live zu begutachten. Bei dem Longplayer werden wohl viele Musikfans der Combo blendende Chancen für's kommende Jahr prophezeihen und da möchte ich keinesfalls nachstehen. ThEb (8)

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NAILGUN
New World Chaos CD
Stf Records


Hinter NAILGUN stecken sechs Musiker, die sich ganz dem Metal verschrieben haben. Mal zelebrieren sie ihn traditionell und Eighties-lastig, der Opener "A fragment of chaos" sei da mal als Beispiel genannt, dann ist's wieder recht modern und reduziert wie "Traitor" und "I have enough" zeigen. Die Songstrukturen bleiben aber immer recht unspektakulär, meist hört man Powerchords und den Midtempobereich verlässt man auch nur selten. Eigentlich fallen nur die Soli positiv auf, da entsteht oft eine atmosphärische Tiefe, die dem Sound trotz opulenter Besetzung leider oft abgeht. Textlich wird der Menschheit der Spiegel vorgehalten und obwohl es nicht gerade lyrisch wird, sind die Texte inhaltlich schon ein Unikum im Metalbereich, wo es ja meist um Tod und Teufel geht. "Abyss of shadows" kann dann erstmals die Aufmerksamkeit bündeln, weil endlich mal mehrere Instrumente anspruchsvoll agieren und die Vocals etwas harscher werden. Apropos Vocals: Manuel Bühler singt durchweg und vermeidet Shouting. Klingt dann irgendwie nach erkälteter Hetfield meets CRASH TEST DUMMIES. Auch bei den Riffs hat man schon ziemlich auf die Bay Area-Helden um James geschielt und Titel wie "Abyss of Shadows" und "Seasons of sorrow" muten leider etwas nach Bausatz an. Ein akzeptabler Einstieg, der auf regionaler Ebene bestimmt Lob ernten wird, aber für das nächste Album muss definitiv eine Schippe Kreativität zugelegt werden und von der Phrasendrescherei darf man sich auch gerne entfernen. Tendenzen in diese Richtung zeigt beispielsweise "The result", denn der Song ist schön eigenwillig, wenn auch nicht von Hitformat. ThEb (5)

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NAÏVE
Illuminatis CD
thecryingcommunity.com


"Transoceanic" ist alles andere als ein griffiger Start für ein Album, aber trotz der neuneinhalb Minuten lässt der Track aufhorchen, weil die Band aus Frankreich den monumentalen Song extrem facettenreich gestaltet und auch Elektronikpassagen à la VNV NATION einbindet, um die langsamen und atmosphärischen Gitarrenparts zu kontrastieren. "Belly" hingegen wird von heavy Groove-Parts bestimmt, klammert die Synthiewände aber keinesfalls aus, sondern schafft eine Fusion aus kühlen Dark-Wave-Klängen und mitreissendem Riffing. Von der Stimmung her ist es getragen, meist sind die Songs unheimlich episch, "Luna Militis" schlägt gar mit knapp 14 Minuten zu Buche, aber NAÏVE gelingt das Kunststück ihre Klanglandschaften trotz dieser Breite ganz schön bindend zu gestalten. Man bleibt stets an ihren Melodien dran und klinkt sich zunehmend aus, um dieses beinahe cinemastische Album wirken zu lassen. Die sieben Songs zeigen, dass man mit ein wenig Piano und etwas Hall auf den Sechssaitern mächtig viel bewegen kann und wer sowohl Chino Moreno, als auch Maynard Keenan und deren Bands schätzt, sollte hier mal ein Ohr riskieren. ThEb (7)

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OLD KERRY MCKEE
Wooden Songs CD
Greatest Records


Ein Schwede mit seiner verstimmt anmutenden Akustikgitarre und einer zu behandelnden depressiven Verstimmung sind die beiden Hauptakteure auf "Wooden Songs" und das Lo-Fi-Abenteuer lebt von den Ecken und Kanten, die hier zur genüge gesetzt sind. Zwar ist "Broken leaf" beispielsweise trotz der Tatsache, dass die Stimme gerne mal kippt, ein hymnischer Song, dessen Kaputtheit bisweilen an Dylan denken lässt, aber selbst Schellenkranz und Mundharmonika vermögen es nicht ihn massentauglich zu machen. Dafür klingen die Vocals einfach echt viel zu kaputt. "Hell within my chest" bietet dann das Knistern einer Nadel auf Vinyl, nur für den Fall, dass es jemand gewagt haben sollte die Compact Disk zu kaufen. "Death, oh death" überzeugt dann mit Slide-Gitarre und Hank Williams III. - Geschrei, welches hart an der Schmerzgrenze ist, aber eben hervorragend zum Existenzialismus von OLD KERRY MCKEE aka Joakim Malmborg passt. Düster, traditionell und doch nicht altbacken und nach mehrmaligem Hören auch nur noch halb so verstörend wie zu Beginn. Ein echtes Highlight. ThEb (8)

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REDCRAVING
Mirroring CD
Midsummer Records


Rund 30 Monate war es recht still um REDCRAVING aus Berlin, aber jetzt steht man mit dem Nachfolger zur grandiosen Debüt-Ep "Lethargic, Way Too Late" in den Startlöchern. Neben Umbesetzungen im Bandgefüge hat man auch den Stil generalüberholt. Man ist vielschichtiger geworden, holt aber auch des Öfteren "The Shape Of Punk To Come"-Riffs aus der Nostalgiekiste. In "Confidence, confidence" vollziehen die Hauptstädter eine komplexe Gratwanderung von fiesen Stakkatoattacken hin zu atmophärischen Klangwelten, welche mit idyllischem Gesang aufgehübscht werden. Die melodischen Passagen überzeugen ebenso wie die Krachfragmente und die Reduktion auf drei, maximal vier Parts pro Song, macht alles leicht zugänglich und so stößt die erste Full Length schnell auf Gegenliebe. "Leviathan, watch me disappear" könnte als Fusion aus DREDG mit ZAO durchgehen und zeigt die ganze Klasse dieser noch jungen Band auf, der es gelingt viele moderne Elemente in ihren Sound zu integrieren, ohne dabei trendy zu sein, sondern immer über den Dingen zu stehen, weil man eben viel zu freigeistig ist, als um sich jetzt auf Postcore, Prog-Rock oder Deathcore festzulegen. Ausdrücklich würdigen sollte man nochmal die Vocals von Maximilian Faschina, denn diese verleihen dem Zehnerpaket an Songs eine ganz eigene Note und gehörig Wiedererkennungswert. ThEb (7)

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SCREED
Why Should We Care CD
Finest Noise Records


Endlich mal wieder eine Band, die es schafft Spass mit smarten Texten und gesellschaftskritischen Anspruch mit der für den Melodycore typischen Manie zu verbinden. "Lost inside yourself" klingt zwar extrem nach "Liza" von NOFX, aber macht textlich einiges her, weil SCREED in den Lyrics ziemlich authentisch und ehrlich über Demenz singen, was auch schnell nach hinten losgehen kann. Dem bayrischen Quartett gelingt es aber ganz gut sich dem Thema anzunehmen. Andererseits gibt es dann einen Song wie "Put this in your pipe and smoke it", der einfach der Slackermentalität ein Denkmal setzt und richtig gut unterhält. Durch diese Bandbreite entgeht man der Gefahr der Zeigefinger-Fraktion anheimzufallen, ordnet sich aber auch nicht der Funpunk-Ecke zu. "On the street" könnte man inhaltlich, aber auch stilistisch mit PROPAGANDI vergleichen, also kann man mit den 14 Songs unter Garantie echt nichts falsch machen. Ein besonderer Kaufanreiz ist definitiv das schicke three panel digi und mit 20 Seiten Booklet hat man ein schönes Sammlerstück, das gut in eine Fat- Wreck-Sammlung passt und eben die guten alten Neunziger auf hohem Niveau liebevoll Revue passieren lässt. Klasse Album. ThEb (8)

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THE SPIRITSPIDERS
Void In The Sky CD
Spiritspiders Entertainment/Cargo


Hat eigentlich noch jemand an die Brüder Kirkwood von den MEAT PUPPETS auf dem Schirm? Nach zwei Splits hat die ehemalige SST-Combo und stille Grunge-Supergroup den Entzug von Cris hinter sich und spielt munter weiter. THE SPIRITSPIDERS wecken doch immer wieder mit ihren Countrylicks und dem charmant sedierten Gesang Erinnerungen an "Too High To Die", das Erfolgsalbum der PUPPETS. "Dog headed priest" ergänzt dieses Szenario noch durch 70ies-Elemente und Psychedelik. Mit "Melancholiae" verleiht die Band aus Hilden bei Düsseldorf ihrem Album ein weiteres Highlight und Frank Voigt gelingt es durch die gestärke Besetzung weg von seiner bisherigen Solo-Herangehensweise hin zu einem festen Bandgefüge zu kommen. Zwar wird "Voice in the sky" überall als Debüt tituliert, aber eigentlich ist Frank schon seit dem Jahr 2000 mit den SPIRITSPIDERS unterwegs, die aktuelle Besetzung ist jedoch eine seit 2010 bestehende. Jedenfalls ist der aktuelle Release der SPIRITSPIDERS von großem Format, obwohl die Songs leise und bedächtig daherkommen. Ein absoluter Geheimtipp! ThEb (8)

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XAXAXA
Siromašni i bogati CD
Moonlee Records


Schon das Debüt der Mazedonier war eine äußerst faszinierende Angelegenheit und obwohl ich kein Wort vom Gesang verstehe und auch erstmal schnell rausfinden musste, dass XAXAXA kyrillisch für HAHAHA ist, hat der Longplayer einfach Format und begeistert, wenn man auf RITES OF SPRING, JAWBREAKER oder WIPERS steht. Die Combo aus Skopje fusioniert einfach melancholischen Gesang mit leicht schrägen Riffs, was auch grandios funktioniert. Inhaltlich muss man sich, wie gesagt, erstmal schlau machen, was ja auch einen gewissen Reiz hat, denn XAXAXA haben durchaus eine Agenda. Sie kritisieren die Apathie und Verantwortungslosigkeit der Mächtigen und soziale Ungerechtigkeit im Allgemeinen. "Kon svoite se vrtiš" (You turn to your closest) holt weit aus und integriert neben dem göttlichen Bass-Part, über den eine formidable Gitarre ein euphorisches Lead spielt, sogar noch eine Trompete und ein Piano. Der nachfolgende Track "Probav da se isklucam" (I tried to disconnect (myself) ) unterstreicht nochmals die anfängliche Glanzleistung und bietet eine derart hymnische Gesangslinie, dass hier schon von einer wegweisenden Band gesprochen werden kann. Als Dischord-Fan sollte man mal ein Ohr riskieren und Vinyl kann für günstige 10 Euro direkt bei Moonlee den Besitzer wechseln. Lasst euch vom schlichten Layout nicht abschrecken, bei XAXAXA gibt es unheimlich viel zu entdecken. ThEb (8)