Vinyl Rezensionen

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HOWL
Bloodlines LP
Relapse Records


Meiner Befürchtung Rechnung tragend, bewegen sich HOWL mit "Bloodlines" noch stärker ins Metallager, als das ohnehin schon auf dem Vorgänger "Full Of Hell" der Fall war. In "Midnight eyes" und "Demonic" ist jedenfalls SLAYER-Riffing angesagt dazu gibt es Brüllgesang, der einen das Lungenvolumen von Vincent Hausman als ziemlich umfangreich einstufen lässt. "One last nail" zeugt dann von etwas mehr Finesse, denn neben den melodischen Leads überzeugt man mit für das Genre atypischen Paganvocals und die Gitarren tendieren zu MASTODON-Riffs. "Down so low" setzt den eingeschlagenen Kreativhochflug dann eindrucksvoll fort und dürfte auch erstmals Doom- und Sludge-Fanatiker zufriedenstellen, da der Vierer mal das Tempo rausnimmt. Die Szenarien, die Hausman textlich entwirft sind düster, blutreich und der ein oder andere Dämon oder Höllenhund darf da schon mal auftreten. Als Kontrast dazu ist "With a blade" dann ein räudiger Rock n' Roll-Song der vom Gutturalgesang lebt und gegen Ende ein wuchtiges Slow-Motion-Riffs abfeuert. Mit "Embrace your nerve" findet "Bloodlines" dann ein würdiges Ende und man hat sich den Ausspruch "Finis coronat opus" zu Herzen genommen, denn hier werden nochmal alle Register gezogen und man verabschiedet sich mit einem Knall. Von Stoner über Trash-Metal bis hin zu Psychedelik sind derart viele Ideen verwoben, dass man gespannt darauf sein darf, was die Combo sich auf dem nächsten Album einfallen lässt. Ein cooles Album, welches bisher nicht wirklich die Aufmerksamkeit bekam, die es verdient. ThEb

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GYPSYHAWK
Revelry And Resilience LP
Metal Blade Records


Ehemalige von SKELETONWITCH und WHITE WIZZARD frönen hier ihrer Vorliebe für THIN LIZZY und es gelingt ihren den 70-Jahre-Spirit ziemlich authentisch aufleben zu lassen, ohne dass die Sache zu seicht würde. De facto rockt das Album nämlich alles weg. Sänger und Bassmann Eric Harris war 2007 noch auf "Beyond the Permafrost" von SKELETONWITCH zu hören und spielte dann mit HUNTRESS "Spelleater" ein, aber wir wollen ja nicht nachtragend sein. GYPSYHAWK hat sich jedenfalls zu seiner Hauptgruppe entwickelt und falls ihr die Band noch nicht kennt, dann flugs ab und die Clips zu "Hedgeking", "Gypsyhawk" oder "State Lines" ansehen. Langhaarige Rocker mit opulenten Bärten, die Twin-Leads spielen und deren Songs einfach gute Laune machen. Die bei Bedarf farbige LP kommt als Gatefold und enthält alle Texte. Das Eröffnungs-Doppelpack "Overloaded" und "The Fields" deutet schon an, dass hier eher Boogie als Psychedelik die Einflüsse sind und Phil Lynott ganz klar die Ikone der Band aus Kalifornien ist. Fans von BARN BURNER dürften aber ebenfalls mit den elf Liedern des zweiten Albums von GYPSYHAWK klarkommen, denn als Partymucke ist "Revelry And Resilience" allemal tauglich. "Frostwyrm" kombiniert dann 80er-Jahre-Hard-Rock mit einer recht platten aber umso erinnerungswürdigeren Gesangslinie, um dann anschließend die Soli-Keule auszupacken und in bester RAVEN/DIAMOND HEAD-Tradition melodisch zu glänzen. Ach, allein die Rockröhre von Eric Harris gibt der Combo ein solch einzigartiges Flair, dass die auf 200 Stück limitierte goldene LP bald schon vergriffen sein dürfte. Da GYPSYHAWK noch nicht Teil der Hypemaschine sind, gibt es das Album auch relativ günstig zu kaufen. Essentiell. ThEb

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Victor Griffin's IN-GRAVED
S/t LP
Svart Records


Der Hammersong "Late for an early grave" dürfte bereits erneut die Runde gemacht haben und falls nicht, dann sei kurz betont, dass Griffin immer wieder mal Mitglied von PENTAGRAM war und auch auf der aktuellen PENTAGRAM-Scheibe "Last Rites" den Saitenhexer gibt, da die Zusammenarbeit von Fronter Bobby Liebling mit allen anderen Gitarristen, sieht man mal von Vincent McAllister und Randy Palmer ab, ja eher die Form von kurzzeitigen Interrimslösungen hatte. Beide sind zudem tragisch verstorben. Der Reigen mit Multiinstrumentalist Joe Hasselvander ist wohl ebenfalls ausgeschöpft. Es wäre allerdings schade Griffin auf PENTAGRAM zu reduzieren, denn er war auch bei PLACE OF SKULLS äußerst aktiv. Nun kommt Griffin also auch noch mit IN-GRAVED aus der Hüfte, wobei man sagen muss, dass zwei der Tracks bereits 2004 auf Victors Album bei Outlaw Recordings erschienen sind, aber das kennt man ja von der ramfam. Allen Unkenrufen zum Trotz kontert Griffin in "Fading flower" mit call and response-Blues-Licks und der Song ist ein echter Tip für Hendrix-Fans. "What if" zeigt deutlich in Richtung von Griffins PENTAGRAM-Tätigkeit, ohne dass er es dabei bewenden ließe, denn auch hier hört man leichte psychedelische Passagen. Die B-Seite wird von "Thorn in the flesh" eröffnet. Der Track ist einfach ein astreiner Rock n' Roll Song mit zyklischem Riffing und Southern-Vibe. Zur Seite standen Griffin neben Drummer Pete Campbell noch Organist Jeff Olsen und etliche Bassisten, inklusive Anne Griffin, seiner besseren Hälfte. Mit "The teacher" outet sich Griffin als überzeugter JETHRO TULL-Fan und es gelingt ihm natürlich dem Song seinen Stempel aufzudrücken, keine Frage. Also fünf eigene neue Songs, aber dafür erstklassiges Material. Der Rausschmeißer "Surrender" mutet wie die Coverversion eines 70ies-Hits an, stammt aber definitiv aus Victors Feder. Die LP kommt als Gatefold, wenn man flink ist in grün und ist schlichtweg ein moderner Hardrock-Klassiker. ThEb

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MuttTricx
S/t LP
Unrecords/Zach


Dieses Duo dürfte momentan wohl die experimentellste Band des Wiener Labels sein und hält sich mit dem Debüt im Spannungsfeld zwischen Drone, Indie und Elektronik auf. Hauptbestandteile sind Drums, Gitarre, freakige Loops und andere Elektronika. Die Songs bewegen sich zwischen Drone, instrumentalen SONIC-YOUTH-Reminiszenzen und garnieren dies auch mal mit virtosem Freejazz-Saxophon. Dass die acht Songs in Kooperation mit Zach Records erscheinen und einzig und allein als LP verfügbar sind, passt da super ins Bild. Während die A-Seite recht unberechenbar ist, offeriert das Duo mit "M Song" auf der B-Seite eine krachige Indiehymne, in der sich Melodiebögen mit disharmonischen Parts um die Oberhand streiten und nähert sich durchaus der Kategorie "normaler Song" an. "Plentor kid" setzt diesen Weg fort und kann durch das harsche Drumming und das weiterhin an Thurston Moore angelehnte Gitarrenspiel erneut überzeugen. Tanzbarkeit stellt sich ebenfalls ein. Klar, dass im darauffolgenden Track alle Konventionen über Bord geworfen und mit Füßen getreten werden, das Duo aber trotzdem damit durchkommt, weil diese akustische Anarchie eben ihren besonderen Reiz hat. In Summe ist das Debüt von MuttTricx zwar reichlich unkonventionell, aber konventionelle Bands und Musik gibt es ja bereits genug. Wer es instrumental und avantgardistisch mag, kann sich hier mal gehörig an der Nase herumführen lassen. ThEb

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SUPERMACHMITTAG
I'm Your Frau LP
stra production/Diy


Die Erwartungshaltung aufgrund des Bandnamens suggerierte natürlich deutschsprachigen Gesang und als dann ein anglophiler THE CRAMPS-Sound aus den Boxen kam, war die Freude ehrlich gesagt umso größer. Das Cover passt thematisch eigentlich ganz gut zu den Songs, die sich an Blues und Alternative orientieren. "Fire on water" mit seiner Reverb-Klampfe lässt dann aber eher an BELLY und THE PIXIES denken und beschließt die A-Seite mit ihren sieben tollen Songs äußert würdig. Wer da nicht begeistert ist, der kann gut bluffen. "Venus in fur" ist dann ein SUPERNACHMITTAG-Original, weil der VELVET UNDERGROUND-Track ja "Venus in furs" heißt, aber mit dem Akkordeon und dem Sixties-Vibe insgesamt ist die Distanz stilistisch gar nicht so groß. Ein absolutes Highlight gegen Ende der Scheibe ist dann "Lucky naked" mit den bereits erwähnten THE PIXIES-Tendenzen. Textlich ist die Band aus der Steiermark um Sol Haring, Anita P. Möth und Andreas Wildbein echt innovativ und erfreulich unkonventionell. Die LP-Sleeves sind übrigens bedruckt und das Vinyl relativ schwer… hab's jetzt nicht gewogen, aber Laufruhe hat's. Ein Superalbum von Supernachmittag. ThEb

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THE HOLY KINGS
Can You Hear Me 7"
Down The Drain Records


Nach der Split mit WHITE FLAG legen die Regensburger nun recht zügig neues Vinyl nach und die vier neuen Tracks sind wirklich herrlicher Singalong Punkrock mit Streetpunk-Verweisen. Textlich ebenfalls ziemlich smart, da man in "Can You Hear Me?" Homophobie anprangert während "Old movie" und "Me & You" nostalgisch über Beziehungen sinniert. Der Schlussakkord "The Thing We Strive For" ist eine Homage an die Musik und eine kleine Hymne auf die Arbeiterklasse. Die Seveninch kommt in blau mit schwarzen Splatterflecken. Sehr ansehnlich und auch äußerst hörenswert. Das gute Stück ist auf 250 Exemplare limitiert, also schnell sein. ThEb

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FIRST FATAL KISS/ EX BEST FRIENDS
Split LP
Unrecords


Der ironische Opener "Wirtschaft" beginnt mit einem vertonten Bewerbungsschreiben, in dem die Flexibilität und Leistungsbreitschaft einer potentiellen Arbeitnehmerin in Aussicht gestellt wird und gipfelt im Refrain "geht's der Wirtschaft gut, geht es allen gut". Selten so geschmunzelt. Etwas harmonischer ist dann der zweite Track, wo man auch mal ein lalala in den Refrain integriert. Zu "Go! Go! Go! Go!" gibt es bereits ein Video und mit besagter Nummer ist dann auch die stilistische Breite von FIRST FATAL KISS in ihrer erstaunlichen Vielfalt belegt, denn der Track ist eine rhythmisch-schräge Stop and Go Homage, die an ERASE ERRATA und SONIC YOUTH denken lässt. Das Artwork ist etwas unscheinbar, vielleicht hätte man das Cover nicht auch noch aufteilen müssen, denn die Zeichnung auf der EX BEST FRIENDS-Hälfte wirkt ganz cool und hätte ruhig größer sein dürfen. Musikalisch ist die B-Seite aber mindestens so mitreißend wie die drei Tracks von FIRST FATAL KISS. "Foxes" bietet kauzigen Indierock mit Postpunk-Elementen, Stakkato-Gitarren und liegt irgendwo zwischen FUGAZI, EVENS, MELVINS und RAINER MARIA. Der zweite Titel "Ex Best Friends Are Not Playing Tonight" schließt sich diesem Credo an, während der Rausschmeißer dann etwas experimenteller ist. Eine schöne LP mit der FIRST FATAL KISS ihr zehnjähriges Bestehen gebührend feiern und Unrecords zudem ein gelungener Einstand geglückt ist. ThEb

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FANG DEN BERG
Viel Schlafen LP
Zach Records


2009 erschien das selbstbetitelte Debüt und nach vier Jahren legen die Herren zum Glück mal wieder surreales Material nach. Klar, dass für's Cover die halbe Band auch mal ins Brautkleid schlüft, teils sogar schulterfrei, versteht sich. Was FANG DEN BERG machen, machen sie eben in aller Konsequenz. Seit dem Debüt hat sich am Lineup glaub' ich nichts geändert, weiterhin ist Stephan Roiss der große Storyteller bei FANG DEN BERG, der mal biografisch, mal bewusst absurd agiert, so aber etliche Denkanstöße gibt. "Öfter mal" basiert auf einem dominanten Drum-Arrangement und wird zunächst erstmal von Loops unterstützt, bis gegen Ende dann verstärkt Gitarren hinzukommen. Auch der letzte Song der A-Seite, der namensgebende Titel für's Album, fängt noisy an, gibt Lebensweisheiten sowie Ernährungstipps zum Besten und karrikiert damit die moderne Gesellschaft. Was deutlich auffällt, ist dass inzwischen vermehrt Loops und Effekte zum Einsatz kommen und der Vierer seltener in die Saiten greift. Gegen Ende wird die LP zusehends psychedelischer und die Band setzt vermehrt auf Reverb und legt etliche Spuren übereinander, damit neue Räume entstehen. Obwohl die Österreicher hier absolute Nischenmusik machen, ist trotz der Obskurität doch alles recht zugänglich und wem herkömmliche Strukturen, Stile und Texte auf den Zeiger gehen, der darf hier Zeuge einer charmanten Dekonstruktion werden. ThEb