Vinyl Rezensionen 2016

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WEITES LUFTMEER
Siebenunddreißigachtundvierzig LP
Tonzonen/Clear Spot International

Meine erste Assoziation ging Richtung Krautrock, denn deutsche Bandnamen lassen mich oft an GROBSCHNITT denken. Allerdings gehen Kim (Drums, Hammered Dulcimer, Bass) und Jochen (Gitarre, Berimbao, Effekte) im Opener "Isosceles" etwas gradliniger zu Werke und sind herrlich unverkopft. Soll heißen es gibt einen Jam, der um die acht Minuten dauert, die so frisch wirken, als ob man tatsächlich gerade einer spontanen Session bewohnen würde. Der Auftakt des folgenden Tracks "Buoyancy" kommt dan etwas verquerer daher und setzt zunächst auf reichlich Störgräusche, bevor wieder diese wunderbare, ich sage mal PIXIES-Melodik, im Psychgewandt hervorsticht. Der Kreativität sind jedenfalls keine Limits gesetzt, denn ein Berimbao (Stichwort Capoeira) kommt in selbigem Song auch zum Einsatz. In "Trail of thoughts" eröffnet dann die Hammerd Dulcimer und man wundert sich eigentlich nur, warum man das Instrument nicht öfter hört, ist ja genial. Der Rausschmeißer "Oxykotin" kommt vom Energieniveau auf alle Fälle an tollen Opener ran. Abschließend sei noch gesagt, dass Tonzonen sich, was die Gestaltung betrifft, mal wieder selbst übertroffen hat. Die LP kommt genrell als Gatefold und ist in magenta (limitiert auf 300 Exemplare) oder schwarz (limitiert auf 200 Exemplare) zu haben. Doch, dafür kann man durchaus sein Weihnachtsgeld ausgeben. ThEb (8)

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MODERN SAINTS
S/t 12" One-sided LP (EP)
Fond Of Life Record/Shield Records

Ein absoluter Geniestreich ist es ja wohl das Cover eines Albums auf eine Holzplatte zu drucken. Ich senke ehrfürchtig mein Haupt vor euch, MODERN SAINTS aus Bielefeld. Die LP selbst kommt dann in Splatter/Gold und auf der B-Seite ist ein schicker Siebdruck mit Teufelsmotiv. Es gibt drei verschiedene Holzplatten und zwei unterschiedliche Vinylfarben. Jede der drei Versionen ist auf 120 Stück limitiert und das Gute daran ist, dass die sechs Songs des Trios ebenfalls erste Sahne sind. Die Vorbilder der Band, die bereits eine Full Length und eine Split veröffentlichte, sind nämlich JAWBREAKER, TEXAS IS THE REASON und THERMALS. Besonders ausgeprägt ist der schmissige Anteil der EP, denn der Bass pumpt beständig und die Gitarre schrammelt in bester BRAID-Manier drauflos. Gesanglich bewegt sich David Finke eher in den höheren Regionen, was zum Stil der Combo aber perfekt passt. Darf ich anmerken, dass die Band mich auch etwas an LIFETIME erinnert? In Songs wie "I hope it shows" ist jedenfalls eine ganze Menge los und die Breaks unterbrechen nie den Fluss, sondern dienen oft dazu die Spannung nochmal zu steigern. Rein musikalisch ist das Trio echt hörenswert und, keine Angst, an der Produktion wurde trotz des tollen Erscheinungsbildes nicht gespart. Exzellenter Release. ThEb (8)

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AUTUMN OF PAEKWARD
Cern LP
Tonzonen Records

Benannt hat Jochen Koch sein Album nach der Europäischen Organisation zur Nuklearforschung (CERN), die in einen Genfer Vorort den größten Teilchenbeschleuniger überhaupt betreibt. Es kann also sphärisch werden und auch der technologische Aspekt findet sich wieder, denn viele Elemente von AUTUMN OF PAEKWARD kommen aus der elektronischen Musik. Die Beats in „Wardrobe“ sind programmiert, die Loops oszillieren und das einzig organische sind die Vocals von „Fräulein Laura“, die manchmal sakral sind, bisweilen gibt sie aber auch einfach spoken word Passagen über CERN zum Besten. Die Gesamtstimmung des Albums ist idyllisch und beschaulich, vereinzelt könnten die Songs allerdings auch der Soundtrack zu einer Marsmission sein, denn oft wirkt die Organ ein wenig schaurig und unheimlich. Ziemlich abgefahrener Stoff, soviel steht fest. Erfreulicherweise setzt im letzten Song der A-Seite dann doch noch eine verzerrte Sologitarre ein und die elektronische Seite des Releases rückt für einen Moment etwas in den Hintergrund zugunsten pentatonischer Licks. Wie der Titel es schon andeutet, ist AUTUMN OF PAEKWARD, benannt nach einer Science Fiction-Novelle von Luc Beregeaux, ein „stereophonisches Happening“, vollkommen entrückt und doch zugänglich. Sehr exotisch, zumindest sollte man flexibel sein, was Arrangements angeht, denn um den „herkömmlichen Song“ macht Jochen Loch einen großen Bogen. Eher was für experimentelle Geister, man könnte beinahe von Avantgarde sprechen. ThEb (7)


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BLACK MOUNTAIN
IV DLP
Jagjaguar

Natürlich braucht man BLACK MOUNTAIN nicht mehr vorzustellen, aber über den neuen, vierten, Longplayer der Band aus Washington dürfen ruhig ein paar euphorische Worte verloren werden. Eigentlich dachte ich, dass mit "Wilderness Heart" so ziemlich der Zenit erreicht wäre und es anschließend entweder abwärts oder Richtung Beliebigkeit/Mainstream gehen würde. Weit gefehlt, die Band erfindet sich nämlich einfach mal teilweise neu und setzt verstärkt auf Elektronik sowie Bratgitarren. Die Folkelemente wurden etwas reduziert, dafür ist das Quartett wieder rockiger geworden. Weiterhin brilliant die Tandemvocals von Amber Webber und Stephen McBean. Das Cover verdeutlicht es schon ganz gut, BLACK MOUNTAIN klingen zugleich futuristisch sowie nostalgigisch und leben dieses Paradoxon auf "IV" äußerst facettenreich aus. Der Hit der Scheibe ist das orgeldominierte "Florian saucer attack" welches eine fantistische Gesangsmelodie hat und einiges an Grungeaffinität rüberbringt. Ebenfalls eine kleine Überraschung. Besagter Track glänzt auch drumtechnisch, der Taktgeber nimmt nämlich sein Kit nach allen Regeln der Kunst auseinander. Die C- und D-Seite bietet dann mit "Cemetery breeding" einen 80ies-Wave-Song und "(Over and over) The chain" lässt sowohl PINK FLOYD als auch eine Doom-Combo wie OM anklingen. "Crucify me" und "Space to bakersfield" wandeln dann eher auf den Spuren von THE FLAMING LIPS. Folglich also ein Album auf dem sich die Band von Erwartungen freischwimmt und allen Unkenrufen zum Trotz weiterhin extrem kreativ bliebt. ThEb

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CHEROKEE
Ridin' Free 7"
High Roller Records

CHEROKEE ist eine recht neue Band aus Düsseldorf bzw. Köln. Sängerin Katharina Heldt ist noch bei GALACTIC SUPERLORDS aktiv und die beiden Gitarristen waren bis vor kurzem bei den Düsseldorfer Trashern SPEEDBREAKER verdingt. Jetzt allerdings weder Stoner noch Trash erwarten, denn CHEROKEE spielen Hardrock, wobei die Gitarren nur mäßig angezerrt sind. "Warriors of the rainbow" erinnert aber auch ein wenig an CHRISTIAN MISTRESS und der Song hat auch einen leichten DIAMOND HEAD-Einschlag, womit sich der Fünfer natürlich stilisisch ganz gut positioniert. Fans von New Wave Of British Heavy Metal kommen nämlich ebenso auf ihre Kosten wie Hardrocker. Die Flipside bietet mit "Ridin' free" einen THIN LIZZY-mäßigen balladesken Song, der allerdings ebenso erstklassig wie die A-Seite ist und eben auch zeigt, dass die Band von den Einflüssen her breit aufgestellt und flexibel ist. Sehr coole Single, mit acht Minuten Musik, die auf eine baldige Full Length hoffen lassen. Herzlichen Dank an die edlen Spender. Kommt als black wax oder transparentes Vinyl. Zum Weiterhören sei zunächst das aktuelle Tape "Mother Natures Child" empfohlen. ThEb (8)

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INDICA
Stone Future Hymns LP
Tonzonen Records/Clear Spot International

Tonzonen legt mit INDICA aus Australien das Debüt einer recht doomigen Combo vor, die aber auch psychedelische Elemente aufgreift. Schaurige Riffs im Stile von ELECTRIC WIZARD und DOPETHRONE werden in "Inner mind arise" mit Spacerock-Effekten konterkarriert, so dass der Track überraschend spannend bleibt, aber trotzdem die, für Doom typische, zyklische und meditative Natur an den Tag legt. Der dritte Song hört auf den Namen "Om" und erinnert tatsächlich an OM und etwas an ZAUM, deshalb wurde den ehemaligen SLEEP-Mitgliedern dann auch mal beim Titel offensichtlich Tribut gezollt. Die Anfangs erwähnten Soundtüfteleien hört man dann auch auf der B-Seite immer wieder und bei der genaueren Inspektion des bedruckten Sleeves zeigt sich, dass mit Craig Ferguson sogar ein Mitglied ganz und gar mit der Geräuschproduktion befasst ist. Seine Arbeit bereichert auf alle Fälle die fünf Lieder der Herren aus Queensland. Echt mal was anderes, beinahe ein Unikum im Doom. Cooles Album, staubtrocken, etwas spinnert und zum Glück nie pathetisch. Die Texte behandeln Versagen, Auflehnung sowie Durchhaltevermögen, sind prägnant, relativ klar, aber doch irgendwie poetisch. Die LP kommt als grünes Vinyl mit lila Akzenten, ist für Puristen aber auch in schwarz verfügbar. Feine Platte. ThEb


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ULURU
Imaginary Sun LP
Tonzonen Records/Clear Spot International

Fantastische Debüt-Full-Length-LP einer türkischen Band, die mir bisher noch kein Begriff war, sich aber sehr schnell Gehör bei mir verschaffen konnte. Die Gruppe aus Istanbul fasst auf "Imaginary Sun" die Highlights ihrer beiden bereits existierenden EPs zusammen und erreicht dementsprechend ein recht hohes Niveau. Rein formal überzeugt der Release im Gatefold als rotes, schweres Vinyl natürlich und auch musikalisch kann das Trio mit seiner Ausrichtung absolut begeistern. Was den Stil angeht, oszilliert man zwischen OM und anderen esoterisch angehauchten Combos wie ZAUM, die eher auf Atmosphäre als auf Wumms setzen. Obwohl die fünf epischen Songs alle völlig instrumental gehalten sind, vermisst man keinen Sänger, sondern lauscht gebannt der psychedelischen Leadgitarre, die sämtliche Melodiebögen übernimmt. Mit die unaufdringlichste Scheibe, die ich in letzter Zeit gehört habe, denn die Jungs kommen in ihren Flow und obwohl die Lieder komplex und virtuos sind, wirkt nichts verkopft. Rotes Vinyl erscheint in einer Auflage von 300 Stück und wer's ganz puristisch mag, kann auch eine der 200 schwarzen Scheiben bei Tonzonen ordern. ThEb (8)