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Euer aktuelles Album "Reacher" ist echt beachtlich geworden und man wundert sich, wie ihr aus dem Stand so ein Ding abliefern konntet. Hattet ihr irgendwelche "Mission Statements" um die Marschrichtung festzulegen?

Erst einmal vielen Dank für das Lob, das bedeutet uns sehr viel! Tatsächlich ist das Album ohne besonderen "Plan" entstanden. Zuerst sollte es sogar nur eine EP werden! Dann haben wir aber weitergearbeitet und es zu dem ausgebaut, das es heute ist. Wir wollten nach der langen Zeit einfach endlich etwas handfestes machen. Und es hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Noch kurz zu eurer Vorgeschichte, wenn ich das richtig verstehe, dann haben mindestens drei Leute von WOS bei THE GLUES gespielt, oder? Wann ging das los, gab es ein Album und wie kam der musikalische Wandel?

Damals mit unserer vorherigen Band ist auch schon ein Album entstanden, das wir dann halt selber gepresst und quasi aus dem Kofferraum verkauft haben. Aber das war eben mehr Garagen-Punkrock, gerade zu Anfang. Durch Andos (Vocals, früher noch Bass) Einstieg in die Band kam die Komponente der "Schrei-Musik" dazu, und unser aller Musikgeschmack hat sich ohnehin über die Jahre in diese Richtung entwickelt. Das hat natürlich auch unsere Musik beeinflusst. Als das dann gar nichts mehr mit unserer früheren Mucke gemein hatte, haben wir uns einen neuen Namen gegeben und von vorn angefangen. Wenn man so will, sind Tolga (Drums) und ich (Dennis, Vocals/Guitar) die Ur-Gründungsmitglieder. Das war 2004, ist also inzwischen schon 10 Jahre her.

Bereut ihr im Nachhinein das KESHA-Cover eurer ersten EP? Hat euch das in eine Ecke gedrückt oder seid ihr eher der Meinung ihr habt dadurch treue Fans gefunden?

Das bereuen wir keine Sekunde. Gerade der Videodreh im Tower, bei dem so viele Leute aus Bremen und umzu mitgewirkt haben, hat uns gezeigt was wir für eine tolle Basis haben und worauf wir aufbauen können! Na klar, wir kommen davon natürlich schwer los. Aber der Song macht ja auch tierischen Spaß. Übrigens, war der Song nie auf einer CD - er ist und war nur auf Youtube zu hören.

Wie sieht denn die rechtliche Seite aus, gibt es da Schlupfwinkel für semi-professionelle Bands? Oder kann da das dicke Ende noch kommen?

Wir haben ja diesen Song bzw. das Video gemacht, nachdem wir die etlichen Screamo-Coversongs bei Youtube gesehen haben, die es ja von fast jeder Core-Band zu fast jedem Popsong gibt. Auch mit erheblichen Klickzahlen. Und da wir mit dem Song ja auch kein Geld verdienen, sollte da nichts Schlimmes passieren.

Euer Album beginnt mit Elektronik, euer Produzent ist Malte Brück von AELEMENT, einer Bremer "Punk&Bass"-Combo, die ebenfalls auf Elektronik setzt. Welche Dinge waren euch bei der Produktion wichtig und wo seid ihr an eure Limits gekommen?

Das Intro ist so entstanden, weil wir live immer einen elektronischen Song mit ordentlich Wumms brauchen, quasi als Anheizer für uns selbst. Beim Album hatten wir nun die Gelegenheit, endlich einen eigenen Track zu diesem Zweck zu schreiben. Gleichzeitig leitet er den Openersong schön ein. Limits gab es dabei eigentlich nicht. Malte kennt uns schon von Anfang an und setzt die Dinge genauso um, wie wir uns das wünschen. Deswegen sind wir immer sehr happy mit seiner Arbeit.

Könntet ihr thematisch die wichtigsten Songs, was die Message angeht, auf "Reacher" umschreiben? Der Titeltrack hat ja auch eine gewisse Botschaft, oder?

Die Begriffe "Reacher" und "Settler" entstammen ja einer bekannten US-Sitcom und beschreiben in einer Beziehung denjenigen der sich zu dem anderen hochstreckt und den, der es auch besser haben könnte und das Ganze nur geschehen lässt. Probleme und Themen wie diese ziehen sich auch durch die anderen Texte des Albums.

Ihr spielt dieses Jahr auch zum zweiten Mal bei "AufMUCKEn gegen Rechts" wohingegen der Rest der Metalcore-Szene recht unpolitisch unterwegs ist. Wie kann man wieder ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die Politik leider das einzige Werkzeug ist, durch das wir im großen Rahmen Veränderungen beeinflussen können?

Durch genau solche Festivals. Letztlich gibt man dem Kind ja nur den richtigen Namen, aber trotzdem schafft man auf diese Weise ein Forum, um zu gewissen politischen Themen zu informieren und erhält ein Publikum, das dem gegenüber offen ist. Das AufMUCKEn gegen Rechts in Weyhe ist in einer Zeit entstanden, als die Bedrohung durch Rechtsradikale im Bremer Umland sehr groß war und dringender Handlungsbedarf bestand. In den ersten Jahren sollte man nach dem Konzert besser nicht alleine mit dem Fahrrad nach Hause fahren. Als Weyher haben wir das Festival daher immer unterstützt, sowohl als Zuschauer wie später auch als Band. Auch wenn die Bedrohung augenscheinlich inzwischen nicht mehr so extrem ist, ist die Veranstaltung nach wie vor sehr wichtig. Und das wir dort auftreten ist für uns Ehrensache.

Wie intensiv verfolgt ihr gerade die Musikszene und welche Faves habt ihr allgemein?

Neben den Musikrichtungen und Bands, die wir alle einzeln privat hören, interessieren wir uns natürlich, was in unserer näheren Umgebung so abgeht. Eigene Favoriten und Freunde von uns aus der örtlichen Szene sind z.B. Aelement, The Awake, Pride Shall Fall oder Beware The Light. Da geht einiges. Aktuell kann man auch wieder verstärkt ganz neue, junge Core-Bands aus Bremen beobachten, die Fuß fassen.

Welche Erwartungen sind heute für Musiker noch realistisch? Wieviel Idealismus vertragen die Bands noch, bis mancher Hörer kapiert, dass ein "Kulturbetrieb" sich nicht von alleine finanziert? Wie seht ihr die Lage?

Man muss sich als Band einfach darüber im Klaren sein, das man mit seinem Hobby im seltensten Fall reich wird, geschweige denn davon leben kann. Gleichzeitig ist es schön, etwas für seine Arbeit zurückzubekommen, und das hat ja auch etwas mit Anerkennung zu tun. Ich denke, wenn man einfach mehr dazu überginge, auf Konzerte zu gehen, vielleicht ein Shirt mitzunehmen und anschließend nicht nur bei Youtube reinzuhören sondern vielleicht sogar die CD zu bestellen, dann sind wir schon einen riesigen Schritt weiter.

Angenommen ihr müsstet eure "Bandchemie" beschreiben, welche Adjektive würden da für die einzelnen Leute fallen? Gibt es bei euch sowas wie ungeschriebene Gesetze, was das Songwriting bzw. die Gruppendynamik angeht?

Beim Songwriting ist es meistens so, dass ich ein Songgerüst baue, das wir dann gemeinsam einüben um anschließend daran zu arbeiten. Ando steuert dann meistens den Text dazu bei. Tja, was beschreibt uns einzelne Leute am besten? Tolga ist wohl der fleißige. Setzt sich andauern im Proberaum an die Drums und übt bis die Schwarte kracht. Stefan ist der ruhige, was für ein Klischee bei einem Bassisten. Dave, unser Lead-Gitarrist, ist vor allem talentiert. Wenn er eine Gitarre in die Hand nimmt, passieren tolle Sachen. Ando ist, besonders live, einfach präsent und ganz vorne dabei. Ich selbst bin wohl organisiert. Ich muss das im Blick behalten, das über das gemeinsame musizieren hinausgeht, haha.

Dennis, vielen Dank für das Interview.
Thomas Eberhardt